Vor 20 Jahren ereignete sich im Armenviertel von Bhopal die größte Giftkatastrophe aller Zeiten. Greenpeace macht nun Druck für die Totalsäuberung des verwaisten Fabriksareals.
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Bhopal/Wien - Zuerst war da dieser Geruch: In der Nacht zum 3. Dezember 1984 nahmen Mitarbeiter der Union Carbide Corporation im indischen Bhopal Methylisocyanat wahr. Kurz darauf explodierte im Chemiewerk ein Tank und setzte tödliche Gase frei, die Schleimhäute, Augen und Lungen verätzten. Bei dem verheerendsten Chemieunfall wurden 8000 Menschen getötet. 150.000 leiden an den Spätfolgen.

Chemikalien lageren offen oder in verrotteten Säcken

Die Umweltorganisation Greenpeace präsentierte Donnerstag einen Bericht, der die sofortige Säuberung der stillgelegten Anlage urgiert. Das Areal sei eine Gefahrenzone voll Gift. Die Chemikalien lagerten offen oder in verrotteten Säcken und sickerten ins Grundwasser. Mit dem Monsun komme das Gift wieder an die Oberfläche. "Auf dem Areal spielen Kinder und grasen Kühe", berichtet Matthias Wuetthrich von Greenpeace dem STANDARD aus Bhopal: "Schlaflager weisen darauf hin, dass manche in der Fabrik sogar Liebe machen."

Jedes vierte Kind in Bhopal wird tot geboren Die Folgen von Armut und Ignoranz, die indische Regierung habe die Bevölkerung "völlig im Stich gelassen." Ebenso wie der US-Chemieriese Union Carbide, der 1984 bei den Sicherheitsvorkehrungen massiv eingespart habe und mit 690 Millionen Dollar Entschädigung "zu wenig zahlte, um dem Leid Rechnung zu tragen". Jedes vierte Kind in Bhopal werde tot geboren. Laut Greenpeace müssen die Anlage abgerissen und die Pestizide entsorgt werden. Das Grundwasser müsse abgepumpt, die Bevölkerung mit Wasser versorgt und das Gebiet umzäunt werden, "sodass sich niemand aus der Erde Häuser bauen kann". (east, DER STANDARD Printausgabe 5.11.2004)