Wien - "Das Bild Yassir Arafats als eines Teils des palästinensischen Nationalmythos dient einem klar definierten Zweck: es wurde von ihm und seinem Umfeld als Katalysator für die Mobilisierung des Volkes zum politischen Engagement geschaffen". So charakterisierte der israelische Publizist Danny Rubinstein den legendären Palästinenser-Führer in seinem Buch "Yassir Arafat - Vom Guerillakämpfer zum Staatsmann". Arafats Mythos schien sich jedoch genau zu dem Zeitpunkt zu verflüchtigen, da er selbst wieder auf palästinensischem Boden lebte, meinte der Autor.

"Arafats Leben..., sein jahrelanges Junggesellendasein, sein Äußeres, seine Tatkraft, seine militärische Vergangenheit, seine fortwährende Wanderschaft als Heimatloser, sein nachgerade wunderbares Überleben, seine bescheidene Lebensführung" - dies alles basierte nach Ansicht Rubinsteins auf "Wahrheiten, die später umgegossen wurden, um sie dem Mythos vom 'Mister Palästina' als Verkörperung der Palästinensischen Frage dienstbar zu machen".

Geheimes Privatleben

Arafat, von seinen Anhängern Abu Ammar genannt, hat sein Privatleben immer verschleiert. Nicht einmal die Frage nach seinem richtigen Namen und seinem Geburtsort hat er je klar beantwortet. Im August 1929 als Sohn palästinensischer Eltern unterschiedlichen Angaben zufolge in Kairo, Jerusalem oder im Gaza-Streifen geboren, wuchs er in der ägyptischen Hauptstadt auf, wo er auch sein Ingenieursstudium abschloss. Der palästinensische Nationalheld wuchs aber nicht als Flüchtling - Israel wurde erst 1948 gegründet - außerhalb seiner Heimat auf.

In Kuwait, wo er an einer kleinen Baufirma beteiligt war, gründete Arafat 1957 die Al-Fatah. In die PLO trat er erst in den 60er Jahren ein und übernahm schließlich 1969 deren Kontrolle. Mit seiner Al-Fatah führte Arafat 1965 die ersten militärischen Aktionen gegen Israel durch. Seine erste Sternstunde hatte er im März 1968, als er einen israelischen Angriff auf sein Hauptquartier in der jordanischen Stadt Karameh zurückschlug. In der arabischen Welt wurde der erste Sieg über Israel seit dem Junikrieg 1967 enthusiastisch gefeiert.

Die folgenden Jahre waren für Arafat äußerst wechselhaft. 1970 wurde nach einer Reihe von Flugzeugentführungen die PLO in Jordanien zerschlagen. Nach dem "Schwarzen September" zog sich Arafat in den Libanon zurück. 1974 hielt er seine berühmte Rede vor der UNO-Vollversammlung, die arabische Welt erkannte seiner PLO das Alleinvertretungsrecht für die Palästinenser zu. Dem Friedensabkommen zwischen Israel und Ägypten 1977 widersetzte er sich heftig. 1982 konnte er mit knapper Not den israelischen Invasionstruppen im Libanon entkommen und verlegte sein Hauptquartier nach Tunis.

Friedensnobelpreis

Die 1993 begonnenen Geheimgespräche mit Israel führten schließlich zum Friedensvertrag und zur Einsetzung einer Palästinenischen Autonomie-Verwaltung. Sein Wechsel vom bewaffneten Kampf an den Verhandlungstisch brachte Arafat 1994 - zusammen mit Israels damaligen Premier Yitzhak Rabin und Außenminister Shimon Peres - den Friedensnobelpreis. 1996 wurde er von den Palästinensern im Westjordanland und im Gaza-Streifen mit 87 Prozent der Stimmen zum Präsidenten der Palästinenser gewählt.

Der ehemalige Freischärler-Kommandant schien jedoch wegen seines eigenwilligen Führungsstils für eine Präsidenten-Position nicht besonders geeignet. "Die Legende Arafat scheint ... sich an der harten Realität im Gazastreifen aufzureiben", schrieb Rubinstein.

Der so hoffnungsvoll begonnene Friedensprozess mit Israel brach schließlich zusammen. Im Jahr 2000 scheiterte ein letzter Versuch des damaligen US-Präsidenten Bill Clintons, Arafat und den israelischen Regierungschef Ehud Barak zu einem Friedensvertrag zu bewegen. Der als Provokation empfundene Besuch des Oppositionsführers und späteren Barak-Nachfolgers Ariel Sharon auf dem Jerusalemer Tempelberg (Haram al-Sharif) löste schließlich die zweite Intifada (Aufstand) aus.

Nach zahlreichen Selbstmordattentaten palästinensischer Extremisten und israelischen Militäraktionen in den besetzten Gebieten brach Israel den Kontakt zu Arafat ab und stellte ihn im Dezember 2001 in Ramallah faktisch unter Hausarrest. Später erklärte Sharon Arafat offiziell zum "Feind Israels" und plante, sich seiner zum gegebenen Zeitpunkt zu "entledigen".

Ob nach Arafats Tod ein positiver Neuanfang der israelisch-palästinensischen Beziehungen möglich sein wird, steht in den Sternen. (APA)