Prag - Woran erkennt man in der Tschechischen Republik, dass der Wahlkampf für die Senats-und Regionalwahlen seine Endphase erreicht hat? Neben den vielen Plakaten ist es der raue Umgangston, der in die Politik Einzug gehalten hat. Seit Wochen bezichtigt die bürgerliche Opposition die Sozialdemokraten als stärkste Regierungspartei, sie würden systematisch einen Polizeistaat aufbauen und im Kampf mit dem politischen Gegner Nazimethoden verwenden. So gehört die Wortschöpfung "Grosstapo" als Anspielung an das frühere Wirken des heutigen tschechischen Premiers Stanislav Gross als Innenminister fast schon automatisch zum Wortarsenal jedes Politikers, der sich in diesen Tagen für die Bürgerlichen um ein Mandat bewirbt.

Unterhalb der Gürtellinie

Nun scheint aber auch im Regierungslager das Niveau des politischen Diskurses wortwörtlich unterhalb der Gürtellinie angekommen zu sein, wie der jüngste Fall zeigt. Der christdemokratische Umweltminister Libor Ambrozek hat sich kürzlich im Eifer des Gefechts über eine Regelung des Emissionshandels mit einer SMS an die Direktoren einiger großer tschechischer Unternehmen gewandt. Darin beschimpfte der Minister die Mitglieder des zuständigen parlamentarischen Wirtschaftsausschusses mit einem vulgären Ausdruck für die männlichen Genitalien. Wörtlich meinte der Minister: "Die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses verhalten sich wie . . ., es ist schlimmer als der Kriegszustand."

"Staatsschädling" und "Mistvieh"

Der Inhalt der Nachricht wurde vergangene Woche vom sozialdemokratischen Chef des Wirtschaftsausschusses Josef Hojdar während einer Parlamentssitzung veröffentlicht. Dabei setzte Hojdar noch eins drauf, indem er den anwesenden Minister Ambrozek wörtlich als "Staatsschädling" und "Mistvieh" bezeichnete, und forderte Ambrozeks Entlassung.

Der Christdemokrat Ambrozek, der bis dahin als ein eher unauffälliger und etwas blasser Fachmann für Umweltfragen galt, hat mittlerweile zugegeben, die Kurznachricht mit besagtem Inhalt verschickt zu haben. Er versprach, sich bei den betroffenen Abgeordneten öffentlich zu entschuldigen. Seine Entgleisung versuchte der Minister dadurch zu rechtfertigen, dass er als Folge vieler Jahre in der Politik in der persönlichen Korrespondenz manchmal zu schärferen Worten greife. Gleichzeitig versicherte er jedoch, dass er diesen Wortschatz nie öffentlich verwenden würde.

Konflikte

Es war übrigens nicht das erste Mal, dass Ambrozek und Hojdar in einen Konflikt gerieten. In der Vergangenheit kreuzten beide Politiker mehrfach in der Frage des Baus neuer Schutzwehre an der Elbe ihre Klingen. Während Hojdar, in dessen Wahlkreis diese Projekte verwirklicht werden würden, deren Errichtung unterstützt und das mit einem besseren Schutz gegen künftige Hochwasserkatastrophen begründet, lehnte Ambrozek diese Projekte aus Umweltschutzgründen ab und konnte diesen Standpunkt auch in der Regierung durchsetzen. (DER STANDARD, Printausgabe 5./6.11.2004)