Wenn Portfolioinvestoren beginnen, ihre Dollar-Wertpapiere zu verkaufen, werden andere in Panik folgen, einen Kurssturz des Dollars verursachen und damit die erste große Finanzkrise des 21. Jahrhunderts auslösen. Fred Bergsten vom Institute for International Economics in Washington bezeichnet die Situation als "Desaster in Vorbereitung". Wie tief wird der Dollar fallen müssen?
Faustregeln
Die erste historische Faustregel besagt, zehn Prozent für jedes Prozent des BIP-Wertes des nicht tragbaren gegenwärtigen Leistungsbilanzdefizits. Die zweite Faustregel ist, dass Währungen, die an Kursverlust leiden, dazu neigen, überschießend zu reagieren: In der Nähe des Tiefststandes fordern Währungsspekulanten aus Angst, der Kurssturz könnte eine noch größere Katastrophe auslösen, eine beträchtliche Risikoprämie.
Wann kommen also der erwartete Dollarsturz und die Krise? Bergsten meint "bald". Bergsten liegt damit möglicherweise falsch. Der verstorbene Rüdiger Dornbusch meinte, dass untragbare Situationen länger andauerten, als Ökonomen, die an die Rationalität und das Gleichgewicht des Marktes glauben, sich das vorstellen könnten - und dass diese untragbaren Verhältnisse dann doch schneller zusammenbrechen, als alle für möglich gehalten hätten. Aus seiner Sicht durchlaufen Währungsüberbewertungen fünf Stadien:
Erstens: Kurzfristige Spekulanten auf der Suche nach höheren Erträgen oder überängstlich nach Sicherheit strebende Investoren treiben den Wert einer Währung in untragbare Höhen.
Zweitens: Trendjäger kaufen weiter, weil die Erträge in jüngster Vergangenheit so gut waren und treiben damit die Überbewertung derart weiter nach oben, sodass ihre Höhe und Dauer für orthodoxe Ökonomen nicht zu erklären ist.
Drittens: Hochintelligente Ökonomen, verblüfft von der Dauer der Überbewertung, entwickeln Theorien, warum diesmal alles anders ist und warum die Überbewertung diesmal möglicherweise doch nachhaltig ist.
Viertens: Angespornt durch die Theorien einer "New Economy", welche die außerordentlich guten Erträge der jüngsten Vergangenheit erklären, kaufen die Bullen weiter und halten die Währung damit noch länger in Höhen jenseits aller fundamentalen Grundsätze.
Fünftens: Der Andrang eifriger Käufer und dem Trend nachjagender Investoren lässt nach, wodurch es zu einem Absturz kommt, der dem Zusammenbruch eines Pyramidenspiels ähnelt. Im letzten halben Jahr erreichte der gegenwärtige Zyklus des US-Dollars das dritte Stadium.