Gerhard Plott

Die internationale Jagdgesellschaft hat sich geschlossen versammelt und zum erbarmungslosen Halali auf den im Original braunen Vogel geblasen, für den es kein Entkommen geben darf. Permanent wird das an sich unscheinbare, aber großschnäbelige Federvieh aus der Familie der Schneehühner aufs Korn genommen und mit gezielten Schrotladungen ins Jenseits befördert. Munition ist offenbar unbegrenzt vorhanden, auch die braunen Vögel scheinen nicht auszusterben - zumindest auf zehntausenden Computerbildschirmen. Die Rede ist vom Moorhuhn (Lagopus Lagopus Scoticus), oder besser von der Jagd auf den Vogel - ein Computerspiel, das kostenlos aus dem Internet heruntergeladen werden kann ( Download, Links ), zirka 1,9 Megabyte groß ist und derzeit für Furore sorgt. Das Spiel selbst ist von einer bestechenden Schlichtheit: In einer virtuellen schottischen Herbstlandschaft steigen glubschäugige Moorhühner auf, unter denen neunzig Sekunden lang mittels Mausklick ein Blutbad angerichtet werden kann. Wer die meisten Hühner erlegt, gewinnt. Doch nun wird der virtuelle Vogel zur Gefahr für die Volkswirtschaft. Computernetzwerke in Büros brechen zusammen, weil ansonsten unbewaffnete Büromenschen stundenlang Hochlandhühner vom Himmel holen, anstatt ihrer Arbeit nachzugehen. Allein in Deutschland entstehen durch jagdbedingte Arbeitsausfälle Kosten von umgerechnet mehr als 50 Millionen Schilling täglich, rund 19 Milliarden Schilling jährlich, klagen die deutschen Arbeitgeber. Für Österreich wurden solche Zahlen noch nicht erhoben: Seit es die so genannte "Cheftaste" gibt, die das Spiel auf Tastendruck vom Bildschirm blitzartig verschwinden lässt, ist die Feststellung der Ausfallskosten erschwert. Auch Jäger und Tierschützer konnten zum Thema Moorhuhnjagd den Schnabel nicht halten. Während die Jäger den unwaidmännischen Umgang mit dem Vogel beklagen, glauben Tierschützer, dass das Computerspiel zu "mangelndem Respekt gegenüber Tieren" verleite. Die Jagd begann 1998: Der schottische Whiskybrenner Johnnie Walker wollte sich ein jüngeres Image verpassen und verfiel zu diesem Zweck auf den Einsatz von Computerspielen. Junge Damen zogen mit Laptops, auf denen die eigens dazu erfundene Hendljagd gespeichert war, durch die Bars, die Spieler tranken, die Trinker spielten, alle waren glücklich und bald wurde das Ganze wieder vergessen. Bis Ende 1999 ein unbekannter Deutscher das Spiel wieder entdeckte und per E-Mail an Freunde verschickte: Das war der Startschuss zur allgemeinen Moorhuhnjagd. Der Bürorekord meiner Chefin, die eben erst zur Waidmännin mutierte, steht übrigens bei 490 Punkten. Aber sie macht schon Überstunden.