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In der wirtschaftlichen Hauptstadt Abidjan plünderte der Mob die vier französischen Schulen der Stadt und steckte sie in Brand; das Gleiche geschah mit französischen Villen, Autos und Läden.

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Grafik: Der Standard
Paris/Abidjan - "Ich habe Angst!" schrie eine Französin gestern einem Pariser Radiosender ins Telefon. 15.000 Franzosen in Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) fürchten an diesem Wochenende um ihr Leben: Wütende Massen plünderten französische Häuser und Geschäfte, Schulen wurden in Brand gesetzt. Unterdessen scheinen die französischen Streitkräfte die Situation allerdings wieder im Griff zu haben. Die Situation sei zwar angespannt, aber unter Kontrolle, sagte die Verteidigungsministerin Michele Alliot-Marie am Sonntagabend in Paris. 34 verwundete französische Soldaten wurden für Montagmorgen in Frankreich erwartet.

Evakuierung nicht vorgesehen

Der französische Außenminister Michel Barnier sagte in verschiedenen Interviews, eine Evakuierungsaktion wegen der Ausschreitungen sei derzeit nicht vorgesehen. Der ivorische Präsident Laurent Gbagbo müsse jedoch jetzt "die Leute auf der Straße an die Hand nehmen". Für das seit langem von einer schweren Krise geplagte Land könne es nur eine politische Lösung geben. "Die einzige Alternative zur Gewalt ist die Rückkehr zu den Friedensabkommen von 2003", sagte Barnier.

Paris habe mit dem Militäreinsatz nur auf einen unverantwortlichen militärischen Angriff reagiert. "Auf keinen Fall will Frankreich die Elfenbeinküste und seine Institutionen destabilisieren oder Partei ergreifen."

Letzte Woche war die gespannte Lage im dem einst florierenden westafrikanischen Land explodiert. Regierungstruppen drangen wiederholt in die Pufferzone zwischen den Rebellen im Norden ein, und am Freitag bombardierte die Luftwaffe ein Rebellendorf. Dabei kamen neun französische Blauhelme ums Leben. Frankreichs Präsident Jacques Chirac ließ darauf umgehend den Großteil der ivoirischen Luftwaffe, zwei Kampfflugzeuge und fünf Hubschrauber, durch französische Einheiten zerstören.

Wütende Demonstranten

In der wirtschaftlichen Hauptstadt Abidjan zogen Tausende von wütenden Demonstranten auf einen französischen Stützpunkt zu. Sie wurden mit Tränengas und Schüssen in die Luft vertrieben. Darauf plünderte der Mob die vier französischen Schulen der Stadt und steckte sie in Brand; das Gleiche geschah mit französischen Villen, Autos und Läden. Junge "Patrioten", wie sich Gbagbos Schlägertrupps nennen, machten zudem mehrere Provinzstädte unsicher. Weiße wurden systematisch verfolgt und gedemütigt. Nach Angaben aus Paris kam es unter den Franzosen zu zahlreichen Verletzten. Sie wurden Richtung Frankreich ausgeflogen.

"Zweites Vietnam"

Frankreich sandte zur Verstärkung 660 Soldaten nach Abidjan. Gbagbo trat nicht in Erscheinung. Umso heftiger äußerte sich Parlamentspräsident Mamadou Koulibaly. Er kündigte einen Volksaufstand gegen die "Kolonialisten" an, "wie ihn Afrika vermutlich noch nie gesehen hat" und prophezeite Paris ein "zweites Vietnam".

Gbagbos Anhänger machen seit langem Stimmung gegen die französische Präsenz, obwohl diese das Regime gegen den Vormarsch der Nordrebellen verteidigen. Gbagbo setzt darauf, dass die Franzosen mit ihrem UN-Friedensmandat auch die Kakaoplantagen im reichen Süden des Landes schützen wollen und ihn deshalb nicht fallen lassen können. (DER STANDARD, Printausgabe 8.11.2004)