Die Botschaft ging von jenen aus, die am vergangenen Sonntag nicht zu den Wahlurnen gingen: Die große Mehrheit der Mazedonier hat sich für ein multi-ethnisches Zusammenleben und damit für die europäischen Werte entschieden. Mit nur 26 Prozent Wahlbeteiligung ist das Referendum, das die Vollendung des Friedensabkommens von Ohrid infrage stellte, erfolgreich gescheitert. Eine Mindestbeteiligung von 50 Prozent wäre für die Gültigkeit der Abstimmung notwendig gewesen. Die oppositionelle nationalistisch-mazedonische Partei, die gemeinsam mit der orthodoxen Kirche gegen eine verstärkte Mitbestimmung der albanischen Bevölkerung und gegen die Anerkennung der albanischen Sprache als Amtssprache mobil gemacht hatte, bekam eine deftige Abfuhr.

Extremismus zieht nur mehr bei einer Minderheit. Die Nationalisten sind zurückgestutzt. Das Referendum galt als Nagelprobe für die innere Stabilität des Landes und für seine Europareife. Denn ein positiver Volksentscheid hätte nicht nur zu neuerlichen Unruhen führen können, sondern auch zu einem Rückschlag für Mazedoniens EU-Ambitionen um Jahre.

Die meisten Mazedonier haben die Botschaft des Ohrider Abkommens von 2001, das den mühsamen Friedensprozess einleitete, mittlerweile internalisiert: Entweder ein multi-ethnischer Staat mit maximalen Rechten für Minderheiten oder keine Aussicht auf Europa. Das Scheitern des Referendums ist deshalb auch ein Vertrauensvorschuss an die EU, der nicht verspielt werden darf. Der allerletzte Schlussstein des Friedensprozesses von Ohrid ist erst gesetzt, wenn Mazedonien Mitglied der Europäischen Union ist. Schließlich war der Aufruf zum Boykott der Abstimmung seitens der EU auch ganz klar mit Beitrittsperspektiven in Verbindung gebracht worden. (DER STANDARD, Printausgabe, 9.11.2004)