Wien - Manchmal, gerade zu den Gelegenheiten ihrer Lob-und Seligpreisung, möchte man auch der verdientesten Avantgarde zurufen dürfen: Nun sahen wir dich nackt - nun gehabe dich wohl.
Denn in der "Operette" der schweissfuss, einer Gemeinschaftsarbeit der Wiener-Gruppe-Dichter Konrad Bayer und Gerhard Rühm aus den Anfangstagen der 60er-Jahre, wird der leichtesten aller Musen nicht unter den Rock, sondern dorthin gefasst, wo es am tiefsten ist - unter die Hosenbeine. Das Wiener Volkstheater ist unter die Fußpfleger gegangen. Vielleicht hätte es besser gleich Nagelschere und Feile bereitlegen sollen.
Figuren mit katholischen Zufallsnamen aus dem Heiligenkalender der Zentralsparkasse werden unterhaltungsauffällig: Hotelbetteninhaber und Reinmachfrauen, Briefträger und Liftboys versammeln auf ihren völlig zufälligen Köpfen, auf ihren losen Vorstadtzungen, vor allem aber auf ihren Füßen alle Albernheiten, die sich ein anarchistischer Unterhaltungsingrimm ausgedacht haben mag.
Ein Reflex gegen den nicht nur fußanhängigen Mief der österreichischen Restaurationsjahre - ein Fanal auch im Kampf um die Abendkasse (zu der die Wiener Avantgarde erwartungsgemäß nicht zugelassen wurde). Zu Anfang der Uraufführung sieht man gleich das berühmte Staatsvertragsunterzeichnungsgemälde aufleuchten. Wie "frei" wurde Österreich aber wirklich?
Der völlig schwachsinnige Text von der schweissfuss vereint in sich zweierlei Kunststücke. Er veredelt Nichtigkeiten zu Zeugnissen von abendländischer Erhabenheit: "nämlich zwischen unsren zehen / wenn die frühlingswinde wehen / stinken unsre füße / jahreszeitengrüße".
Lauter Sinnpausen
Und er stürzt die Maschinerie des Kommerztheaters von einer Verlegenheit in die andere, von einem Sinnloch ins nächste. Die Avantgarde von einst machte keine Gefangenen. Ohne Wittgenstein waren ihre Einsichten kaum zu verstehen. Aber sie ließ in Sachen Blödelei doch immerhin mit sich reden.
der schweissfuss: Das bedeutet outrierendes Staatstheater, das sich gegen sich selbst kehrt. Das die poetologischen Einsichten großer Autoren auf Jahrmarktsgröße zurechtbiegt: Die Chansontexte und selbsterklärenden Zwischenansagen laufen unter jeder Qualitätslatte locker durch: "waun s / aun da schenan blaun donau / schdinggd // daun / hod da johann schdrauss / im soag an schas lossn".
Bayer und Rühm bewegen Wörterbucheinträge über die Bühne, die auch im Wiener Volkstheater, dem verspäteten Uraufführungsort, ein Hotel vorstellt: In gewiss avantgardistisch gemeinter Verkehrung sitzt das Publikum auf der Bühne. Und auf der Rampe vor ihm bewegen sich die Schweißfußinhaber, die im Namen einer historischen Wiedergutmachungsleistung eben leider nur einen lauen, bunten Abend geben.