Innsbruck - Ein Toter, zig Verletzte, 137 Verhaftete - so lautet die Bilanz von Zusammenstößen zwischen Deutschnationalen und italienischen Jusstudenten in der Nacht zum 4. November 1904 in Innsbruck. Unter den inhaftierten Studenten waren der spätere italienische Ministerpräsident Alcide Degasperi und der spätere sozialistische Abgeordnete Cesare Battisti.

Als "Fatti di Innsbruck" ("Ereignisse von Innsbruck") hatten die Vorfälle weit über Tirol hinaus Aufsehen erregt und Jahrzehnte nachgewirkt. 100 Jahre später trafen sich nun im Innsbrucker Ferdinandeum österreichische und italienische Historiker erstmals zu einer Tagung, die das Museo Storico di Trento mitorganisiert hat.

Mit der Eröffnung der Jusfakultät 1904 hatten die Italiener in der Monarchie einen Teilerfolg errungen. Seit langem hatten sie eine italienische Universität gefordert, wie sie Kroaten, Tschechen und Polen besaßen.

Die Freude währte kurz. Als die italienischen Studenten am 3. November im "Weißen Kreuz" unweit des Goldenen Dachls feierten, grölten Deutschnationale: "Welsche raus!". Beim Verlassen des Gasthauses kam es zu Schlägereien. Die Gendarmerie schaute zu, das Militär griff mit Bajonetten ein, verhaftet wurden ausnahmslos Italiener. Der Maler August Pezzey wurde durch Bajonettstiche getötet. Die Jusfakultät wurde demoliert und sechs Tage nach Eröffnung für immer geschlossen.

Der Politologe Günther Pallaver sagt, die Italiener hätten strategisch gehofft, nach der Ablehnung in Innsbruck in Triest eine Volluni zu erhalten. Als diese 1915 die Tore öffnete, "verbluteten die Studenten in Galizien". Der Zeithistoriker Michael Gehler meint, die "Fatti di Innsbruck" hätten nicht nur Degasperi, sondern auch seinen politischen Ziehsohn Giulio Andreotti beeinflusst. 1984, beim Tiroler Landesfestumzug, warnte Andreotti angesichts der von Schützen mitgeführten Dornenkrone mit der Losung "Ein Tirol von Kufstein bis Salurn" vor einem neuen "Pangermanismus". (bs/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9. 11. 2004)