Oder die wir früher als künstliches Teufelswerk abgelehnt hätten
Voriges Jahr war’s ja kein Problem, voriges Jahr hatten wir in Niederösterreich und im Burgenland australische Zustände, die Zuckerreife der Weintrauben schoss nach oben, die aromatische Entwicklung konnte da oft nicht mithalten. Heuer war’s ein bisserl anders, also eigentlich ein bisserl sehr anders, nämlich nass und kalt, und zwar so ziemlich die meiste Zeit, sodass Mitte Oktober in Österreich nicht wenig Weingärten herumstanden, deren Trauben von einer Genießbarkeit noch weit entfernt waren. Und die, die eh schon fertig waren, bekamen in regelmäßigen Abständen eine kühle Dusche ab, auf dass man wieder warten musste, bis an eine Lese zu denken war.
Das sind dann die Augenblicke, wo manche Winzer ein bisschen nervös werden und manche gar nicht, was unter Umständen auch daran liegen kann, dass sie über ein Gerät verfügen, das sich „Umkehrosmose“ nennt. Was genau in dieser Maschine vor sich geht, weiß ich nicht, einfach gesagt kann man damit dem Most Wasser entziehen und ihn damit konzentrieren. Und das ist nicht unbedingt was Schlechtes, im Gegenteil, bei Rotwein will man’s gar nicht anders und hat auch schon immer konzentriert, nur halt mit „einfacheren“ Mitteln (zum Beispiel mit dem Abtrennen des Seihmostes, also jenes Mostes, der durch das Eigengewicht der gelesenen Trauben abfließt, ist übrigens eine ganz gute Ausgangsbasis für Rosé). Diese „Methode Saignée“, das „Ausbluten“ gilt als klassisch, handwerklich und niemand regt sich darüber auf. Die in Österreich ebenfalls sehr weit verbreitete Methode der Konzentration ist das so genannte Aufbessern, also das Anreichern des Mostes mit Zucker, auf dass der Wein mehr Alkohol bekommt. Das ist gesetzlich geregelt, ist bei kleinen Rotweinen absolut üblich, bei größeren eher verpönt (wird aber trotzdem gemacht) und bringt qualitativ außer eben mehr Alkohol gar nichts. Bei der Umkehr-Osmose liegt die Sache etwas anders, weil da halt alles konzentriert wird, was im Traubensaft drinnen ist, das Gute genauso wie das Schlechte. Wenn ein Winzer also das ganze Jahr über brav und fleißig war, und es ihm die Lese aber einigermaßen verregnete, kann er mittels Umkehrosmose das Regenwasser wieder rausholen, und es ist so, als wär nichts gewesen.
Nur so ist es halt nicht wirklich, denn erstens kommt die Umkehrosmose natürlich immer zum Einsatz, und nicht nur bei Regenwetter (der Gesetzgeber erlaubt mittlerweile eine Konzentration von nicht mehr als 13%, Zucker darf dann aber nicht mehr zugesetzt werden), viele der massiven und kolossalen Rotweine der letzten Jahre sind dank dieser High-Tech zu erklären. Auf der anderen Seite steht die Idee, dass Wein ein Naturprodukt sein soll, und dass es, wenn es keinen entsprechenden Jahrgang gab, halt auch keinen aufgedonnerten, muskulösen Rotwein geben kann. Was an und für sich auch meine Meinung ist, angesichts des ökonomischen Drucks von vielen Winzern aber halt als naiv und weltfremd beurteilt wird. Tatsächlich kann wohl niemand dagegen sein, wenn aus minderwertigerem Wein höherwertiger wird, wenn aus mehr Wein – es gibt eh zu viel – weniger und besserer wird. auf jeden Fall, und ich würde sagen, dass gerade für einfachere Weine ohne großen Terroir- und sonst einen Anspruch die Konzentration mittels Umkehrosmose auch kein Thema sein sollte. Bei den Flaschen, für die aber 20 bis 40 Euro verlangt werden, und von denen man sagt, dass sie deshalb so kostspielig sind, weil halt der Ertrag so stark reduziert wurde, um die Qualität zu steigern, und weil die händische Laubarbeit halt so viel Mühe macht und weil jedes Trauberl individuell gepflegt wurde, da mag ich die Vorstellung, dass auf Knopfdruck aus einem 10 Euro-Wein ein 20 Euro-Wein gemacht und mir ein schönes G’schichtl aufs Aug gedrückt wird, aber nicht so sehr. Wobei, dann dürfte ich „Super-Tuscans“ und Bordeaux auch nicht trinken ...
Mag sein, dass der Markt nach wuchtigen, dunklen, konzentrierten Weinen verlangt. Mag aber auch sein, dass auch der Markt für „klassische“ und natürlichere Weine wächst, der Erfolg von Initiativen wie „Blaufränkisch unplugged“ spricht ja dafür. Und in guten, heißen Jahren ist das ja nicht einmal ein Widerspruch.