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Tankred Dorst

FOTO : APA/FRANZ NEUMAYR

Berlin - Die Berufung des Dramatikers und Regisseurs Tankred Dorsts zum Regisseur für den Bayreuther "Ring des Nibelungen" 2006 ist auf harte Kritik bei Nike Wagner gestoßen. Die Urenkelin von Richard Wagner und Nichte von Festspielchef Wolfgang Wagner sagte dazu der Tageszeitung "Die Welt": "Mit dieser Wahl diskreditiert Wolfgang Wagner alle Schlingensiefs, Marthalers und angedachten von Triers auf dem Grünen Hügel. Wenn es danach in der Ambition so zurückfällt, erweist sich jedes angebliche Konzept als dürftige Spekulation nach Sensationen, als Wirkung ohne Ursache."

"Großes wunderliches Werk"

"Gefreut, aber auch erschreckt" hat Dorst selbst das "überraschende" Angebot Wolfgang Wagners, 2006 die Inszenierung des "Ring des Nibelungen" bei den Bayreuther Festspielen zu übernehmen. "Den 'Ring' zu machen, ist ja wirklich keine Kleinigkeit", so Dorst in der heutigen Ausgabe der "Süddeutschen Zeitung" (SZ). Verlockt habe ihn der Gedanke an das "große Weltmärchen", das Wagners Tetralogie erzähle. Obwohl Dorst bekundete: "Früher hatte ich eher eine Hassliebe zu Wagner. Er ist groß und pathetisch, und ich bin alles andere als ein pathetischer Mensch".

In einem Interview des "Tagesspiegels" meinte Dorst: "Mein Vorteil ist: Ich muss nicht mehr Karriere machen als Opernregisseur. Mich lockt nur dieses große wunderliche Werk." Dorst versuche, "das Werk von innen heraus zu verstehen und es mir anzuverwandeln." Wie seine "Ring"-Regie genau sein werde, "ergibt erst die Arbeit."

"Dass ich mich in dem Genre erst vortasten muss, ist vielleicht gerade der Reiz daran", so Dorst in der SZ. "Und es hat womöglich den Vorteil, dass ich nicht auf das zurückgreife, was es längst schon gibt." Ihn interessiere weiters "die Frage, wie man diese Mythen in unseren Köpfen heute etablieren kann. Die Welt ist der Kopf." Dorst wolle "diese Geschichte erzählen - in einer heutigen Welt, in der die Götter keinen Ort haben." Die Götter und Halbgötter der Oper seien "für uns Fremde". Ein Konzept könnte sein, "dass man die Götter als rätselhafte Macht vergrößert und sie in ihrer Fremdheit belässt." Er wolle sie nicht als Figuren des bürgerlichen Lebens zeigen: "Kapitalismuskritik, Kritik am industriellen Zeitalter - das alles ist oft gemacht worden, in Ordnung, aber mich interessieren solche Interpretationen nicht so sehr." Walhall sei "eine Vision, die es nur im Kopf gibt."

"Parallelwelten" denkbar

Im "Tagesspiegel" meinte Dorst weiter, er könne sich "vorstellen, die Wagner-Götter können durch steinerne Wände gehen oder manifestieren sich unversehens in einem Lichtstrahl". Auch "Parallelwelten" seien denkbar, "in denen der Wagner-Wald zwischen Wolkenkratzern wächst und Spuren der Zivilisation sich mit Natur oder Zitaten der Natur durchmischen."

Dorst gestand in der "SZ" zu, dass seine Wahl "für manche eine anfechtbare Entscheidung von Wolfgang Wagner" sein könnte. "Ich bin kein gelernter Regisseur, ich bin Dramatiker." Dorst, der bei den Premieren 2006 80 Jahre alt sein wird, ist "natürlich" kein jugendlicher Regisseur. "Aber mir macht das, offen gestanden, nichts aus. Es geht mir gut, und ich sehe die Kontinuität meiner Arbeit und meiner Lebensverhältnisse." Er kenne Wagners Werk derzeit so, "wie man es als Opernsänger kennt".

Als Ersatz für Lars von Trier fühle er sich nicht. Es sei jedoch "belastend, dass so viel Zeit verloren ist. Die Zeit, in der Lars von Trier schon ein minutiöses Konzept ausgearbeitet hatte, geht mir jetzt ab." Mit Dirigent Christian Thielemann habe er "ein sehr gutes Gespräch" geführt. Dorst hoffe (im "Tagesspiegel"), "von ihm jetzt viel über die Musik und sein besonderes Verständnis des Komponisten Richard Wagner zu lernen." Als Dirigent gehe Thielemann "natürlich von der Musik aus und ärgert sich, wenn er das, was die Musik ausdrückt, nicht in den Bildern auf der Bühne wiederfindet. Aber Wagner ist nicht nur Musik." (APA/dpa)