Offenbar glaubt der belgische Vlaams Blok selbst nicht, dass er keine rassistische Partei ist. Er hat zwar gegen eine Verurteilung wegen Rassismus berufen - aber gleichzeitig das Ergebnis der Berufung gar nicht erst abgewartet. Eine Bestätigung der Rassismusverurteilung vor dem Höchstgericht kratzt den Vlaams Blok nicht weiter - denn es gibt ihn nicht mehr. Vorsorglich wurde eine Umbenennung in "die flämische Sache" beschlossen. Dieser Winkelzug einer Neugründung bietet taktische Vorteile: Erstens kann man der Partei nur in umständlichen Schachtelsätzen die Verurteilung vorwerfen, zweitens ist der Verlust von Subventionen vorerst abgewendet.
Die Parteiführung hat die erzwungene Neustrukturierung aber auch zu kosmetischen inhaltlichen Änderungen genutzt: Die Abschiebung von nicht europäischen Ausländern wird im neuen Parteiprogramm nicht mehr verlangt. Die Zielrichtung dieses moderateren Auftretens ist klar: Die Rechten wollen die Ächtung durch die anderen Parteien beenden und den so genannten "cordon sanitaire" durchbrechen.
Dieser Wunsch könnte Wirklichkeit werden: Wurde doch der Seuchengürtel, der die Vlaams-Partei vom Mitregieren ausschließt, schon im Sommer nach der Regionalwahl ein bisschen durchlässiger. Damals wurde der Vlaams Blok zweitstärkste Partei - und einige Christdemokraten wagten am Tabu zu kratzen und die in Österreich nur zu bekannte Frage zu stellen: Soll man die Rechten mitregieren lassen?
Mittlerweile ist die Vlaams-Partei in Umfragen auf Platz eins geklettert. Wenn dieser Höhenflug anhält, sind heftigere Debatten um den Seuchengürtel nach den nächsten Wahlen garantiert. Mit den kosmetischen Änderungen hat der Vlaams Blok den Seuchengürtel-Tabu-Brechern dafür einen willkommenen Anlass geliefert. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.11.2004)