Das Projekt "Target": Durch Überlagerung von historischen und aktuellen Fotos werden die Bomben-schäden visualisiert - hier im Bild die Staatsoper.

Fotomontage: ARGE 5 plus
Anfang des Jahres wurde u. a. auch Wolfgang Lorenz, Chefstratege beim ORF, über das Sammelsurium zum Gedenkjahr 2005 informiert. Er gestattete sich, Kritik zu üben - und meinte, dass dieses einer Ergänzung bedürfe: durch Projekte im öffentlichen Raum.

Denn als Intendant der Kulturhauptstadt Graz 2003 machte er die Erfahrung, dass "wir am besten waren, wenn wir auf die Leute zugingen". Für Kontroversen und internationale Wahrnehmung sorgten in erster Linie Projekte wie Marienlift, Uhrturmschatten und Murinsel. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zögerte keine Sekunde: Er beauftragte Lorenz, Ideen zu entwickeln - zusammen mit Georg Springer, dem Geschäftsführer der Bundestheaterholding.

Im Juli stellte das Duo, mit den Graz-2003-Machern Eberhard Schrempf (als Projektleiter) und Karl Stocker (als Konsulent) zum Quartett angewachsen, die Ideen vor. Schüssel gab sein Okay - und ging auf Sponsorensuche: Die Zukunft der Vergangenheit, wie sich die Projektreihe nennt, soll ausschließlich von der Wirtschaft finanziert werden. Das Interesse sei, sagt Lorenz, enorm. Beträge nennt er keine; gerüchteweise peilt man ein Budget jenseits der 10-Millionen-Euro-Marke an.

Aufbereitung

Lorenz ist keiner, der kleckert: Die Ereignisse des Jahres 1945 will er drastisch und dramatisch aufbereiten. Anfang Jänner werden die beiden Reiterstandbilder am Heldenplatz temporär - wie im Krieg - eingemauert, um zum Nachdenken über Helden anzuregen. Am 12. März folgt eine virtuelle Nachstellung des letzten, besonders zerstörerischen Bombenangriffs auf Wien samt Suchscheinwerfern mit Fadenkreuzen, Sirenen und akustischen Detonationen. Die Gebäude, die getroffen wurden, werden in grellrotes Licht getaucht. Zudem will man einen Stadtplan verteilen, auf dem alle einst zerbombten Häuser als weiße Flecke ausgespart sind - "eine gespenstische Landkarte der Zerstörung", so Lorenz.

Mit Kriegsende mutiert der Heldenplatz zum Friedhof: Ein Teppich mit Abertausenden weißen Kreuzen zieht sich bis zu jenem Balkon der neuen Burg, von der Hitler im März 1938 den Anschluss verkündete. Dass dieses Vorhaben polarisieren wird, ist Lorenz bewusst: "Das geht nicht rein wie Schlagobers."

Schließlich "keimt" aber Hoffnung: Am Heldenplatz werden, wie einst, Kartoffeln gepflanzt. Ob auch Kühe vor dem Belvedere weiden werden, sei noch nicht entschieden. Sicher aber spielt man die Besatzungszeit mit mehreren Modulen (Heimkehrer, Trümmerfrauen, Flüchtlinge, 4 im Jeep et cetera) nach: Verteilt werden unter anderem von McDonald's gesponsorte "McCare"-Pakete - mit Informationen zu den Lebensmittellieferungen der Amerikaner und einem Passierschein, um die mit Linien und Tafeln markierten Besatzungszonen wechseln zu können.

Junge Menschen ansprechen

"Man begreift Freiheit erst, wenn man die Unfreiheit kennt", sagt Springer. Die Projekte wenden sich daher nicht an jene, die den Krieg und den Wiederaufbau miterlebt haben, sondern an die jungen Menschen, denen bei "normalen" Rückschauen das Gähnen kommt. Man schickt daher auch einen Kranwagen mit einer 1:1-Kopie des Belvedere-Balkons durch ganz Österreich. Wer will, kann als Leopold Figl verkünden: "Österreich ist frei." Mit diesem "witzigen Zugang" soll Identifikation geschaffen werden.

Die Projektreihe zieht sich auch weiter ins Jahr 2006, wenn die Regierung den EU-Vorsitz übernimmt: Wolfgang Lorenz will in ein "Haus Österreich" je eine Familie der 24 anderen Mitgliedstaaten einladen, die das Zusammenleben mit allen Sprachproblemen meistern sollen.

Die Frage, ob er nicht zum Wahlhelfer des Kanzlerpartei werde, empfindet Lorenz als Unterstellung: Seine Aufgabe sei es immer gewesen, Projekte zu realisieren. "Zudem gibt es in einer Demokratie immer Wahlen." (DER STANDARD, Print, 10.11.2004)