Wien - Die Wahlen sind geschlagen, George W. Bush bleibt den Amerikanern, den Europäern und der Welt für vier weitere Jahre erhalten. Ein Problem, aber nicht unbedingt eine Katastrophe, erklärten die fünf Diskutanten des STANDARD-Montagsgesprächs vor einem vollen Saal im Haus der Musik. "Die Bäume werden wahrscheinlich nicht in den Himmel wachsen", sagte Peter Fritz, Außenpolitik-Chef und Ex-Washington-Korrespondent der "Zeit im Bild". Er verwies auf den Geldmangel, der neue Kriege verhindern werde, und die für wiedergewählte US-Präsidenten typische Suche nach einer "Legacy", einem historischen Vermächtnis.

Auch Matthew Karnitschnig, Korrespondent des Wall Street Journal, rechnete mit etwas ruhigeren Zeiten unter Bush II, zumindest in der Außenpolitik. Im eigenen Land aber werde es noch zu heftigen Kämpfen zwischen den selbstbewussten Republikanern und den Demokraten kommen, etwa über die Neubesetzungen im Obersten Gerichtshof oder die Teilprivatisierung des Pensionssystems. Das Hauptproblem laut Karnitschnig: "Bush will ein Vermächtnis hinterlassen, aber wie soll er das mit so knappen Mitteln erreichen?"

Für Karin Kneissl, Arabistin und freischaffende Journalistin, bietet hingegen gerade der schwierige Nahostkonflikt eine solche Chance. "Ein Zufall, der die Tür für etwas öffnen könnte, ist der bevorstehende Tod Yassir Arafats." Anders als andere Experten glaubt Kneissl, dass "eine zweite Bush-Administration Israel stärker in die Pflicht nehmen wird, als das eine Kerry-Regierung hätte tun können." Washington werde nicht zulassen, dass Ariel Sharon nach dem Abzug aus Gaza den Friedensprozess auf Eis legt. Pessimistischer ist Albert Rohan, der ehemalige Generalsekretär im Außenministerium: "Im israelisch-palästinensischen Konflikt braucht jeder Präsident auch Partner. Diese sind heute nicht vorhanden."

Die zwei anderen harten Nüsse für Bush sind der Irak und der Iran. Ein Krieg gegen den Iran sei unwahrscheinlich, sagte selbst William Fulton, Dekan der Webster University in Wien und ein besonders harter Bush-Kritiker: "Obwohl die Bush-Regierung nicht einsieht, was sie für einen gewaltigen Fehler im Irak gemacht hat, wird es ihr nicht entgehen, dass sie dieses Desaster anderswo nicht wiederholen kann."

Im Irak können die USA nicht heraus, sagte Kneissl, denn sie "dürfen nicht ihr Gesicht verlieren." Für islamische Extremisten war die Bush-Wiederwahl ein Erfolg, zu dem sie mit dem Video von Osama Bin Laden sogar bewusst beigetragen haben, meinte Kneissl. Der Iran sei diplomatisch nun stärker denn je, und Kneissl fürchtet, dass "die letzte laizistisch orientierte Regierung, sprich Syrien, fallen könnte. Dann würden auch Kirchen in Syrien brennen, nicht nur im Irak."

Wenn sich die Konfrontation zwischen Islam und den USA weiter verschärft, "ist Europa mitgefangen, mitgehangen", warnte Rohan. "Alles, was wir hoffen können, ist dass die schlechte weltpolitische Situation nicht noch schlechter wird." (ef/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.11.2004)