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Foto: AP /Vadim Ghirda
Frankfurt/Wien - Angesicht des Todeskampfes des palästinensischen Präsidenten Yasser Arafat stehen sich nach den Worten des bekanntesten israelischen Schriftstellers Amos Oz (65) in Israel "Tauben und Falken starr gegenüber". "In Israel sind die Tauben erschöpft und die Falken bankrott. Erschöpfung ist nicht so schlimm wie Bankrott", schreibt Oz in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe). "Arafats Tod, der in diesen Tagen immer neu verkündet und dementiert worden ist, ändert nichts an der elementaren und drängenden Notwendigkeit, der sich Israel ebenso gegenübersieht wie die Palästinenser: Beide Seiten müssen die Politik der Zwei-Staaten-Lösung pragmatisch vorantreiben."

"Die Schwäche der Tauben in der jahrzehntelangen Debatte über die Zukunft der besetzten Gebiete, über Krieg und Frieden, hat eine entscheidende Ursache. Uns ist es nicht gelungen, den armen und unterprivilegierten Bürgern Israels klarzumachen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen ihrer Lage und dem Traum von einem Groß-Israel gibt, der die Seele unseres Landes nach dem militärischen Sieg im Sechs-Tage-Krieg von 1967 überwältigte. Ein ähnlich direkter Zusammenhang besteht zwischen der fürchterlichen Armut in den besetzten Gebieten und dem Groß-Palästina-Traum extremistischer Palästinenser und ihrer Führer", konstatiert Amos Oz.

Geld für Siedlungsbau wäre im Bildungssektor, Sozialwesen, Kultur und Wissenschaft besser aufgehoben

Israel stecke seit mehr als dreißig Jahren Milliarden von Dollar in den Bau und Unterhalt von Siedlungen in den besetzten Gebieten. "Dieses Geld hätte für den Bildungssektor, für soziale Dienste, Kultur und Wissenschaft und für die Entwicklung von Galiläa und Negev verwendet werden können. Doch es geht um mehr als nur die Tatsache, daß die Siedler mit staatlichen Mitteln gefördert wurden. Dieses Geld stand den Bedürftigen nicht mehr zur Verfügung, sie verarmten, ihre Lage verschlechterte sich, und in ihrer Verzweiflung wurden sie zu Nationalisten. Sie sind gefangen in einem Kerker aus Angst, Feindseligkeit und Araberhass, in die Irre geführt von aggressiven und religiösen Extremisten. Diesen Teufelskreis haben die Tauben nicht durchbrechen können", schreibt Oz.

Keiner der "Falken", die Premier Ariel Sharons Gaza-Rückzugsplan ablehnen, habe bisher erklärt, "was sie eigentlich wollen. Wollen sie die Besatzung fortführen? Weiterhin auf einem Groß-Israel bestehen, bis das jüdische Volk nur noch eine Minderheit zwischen Jordan und Mittelmeer ist? Wollen sie einen Apartheidstaat? Wollen sie die Herrschaft des Volkes abschaffen und durch die Herrschaft der Rabbis ersetzen? Die Falken haben sich um diese Frage gedrückt. Weil sie keine Antwort haben oder weil sie an Wunder glauben." Die Falken hätten aber "schon klammheimlich den entscheidenden Rückzug angetreten. Sie haben sich von ihrer alten Position verabschiedet, wonach wir keine Handbreit Boden aufgeben dürfen, weil alles uns gehört. Diesen revolutionären Schritt sollten die Tauben mit Anerkennung und Erleichterung akzeptieren." (APA)