Wien - Für den Politologen Norman Ornstein vom American Enterprise Institute ist Amerika keine "50-zu-50-Nation". "45 zu 45 zu 10" hält er für treffender: Je ein fest gefügter republikanischer und demokratischer Wählerblock stehen neben einem kleineren Feld von Wechselwählern, und das hat George W. Bush diesmal so gut beackert, dass er ein Plus von etwa dreieinhalb Millionen Stimmen einfahren konnte.

Ornstein, ein renommierter Wahl- und Kongressbeobachter, sah am Dienstag bei seiner Wahlanalyse, die via Satellit in die Wiener US-Botschaft geschaltet wurde, zwei Hauptgründe für den Bush-Sieg. "9/11 hat für den Präsidenten gearbeitet", meint Ornstein, "und es ist ihm gelungen, die konservative christliche Basis zu mobilisieren." Ornstein spricht von einer "Glaubenskluft" (faith gap), die, je nachdem, ob man sich auf der einen oder anderen Seite befindet, zuverlässiger auf das Wahlverhalten schließen lasse als jeder andere Parameter: Wer ein- oder mehrmals pro Woche in die Kirche geht, wählt mit großer Wahrscheinlichkeit republikanisch - und wer die Kirche links liegen lässt, wählt mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit demokratisch. "Die Demokraten würden gut daran tun, die Existenz dieser Glaubenskluft anzuerkennen", meint Ornstein. "Das heißt nicht, dass nur Fundamentalisten gute politische Kandidaten sind. Aber es sollte doch jemand sein, der, wie etwa Bill Clinton, mit der Religion auf sehr gutem Fuß steht."

Konziliantere Töne

Die Bush-Regierung II werde konziliantere Töne anschlagen, als dies in den letzten Jahren der Fall war, meint Ornstein, doch werde es mehr um Symbolik als um Substanz gehen. Bei den großen Streitfragen (Internationaler Strafgerichtshof, Kioto-Protokoll etc.) werde sie gewiss nicht einlenken. Aber trotz der satten Mehrheit im Senat werde Bush seine politische Agenda nicht nach Gutdünken durchsetzen können, sondern er muss sich auf heftige interne Kämpfe bei den Republikanern gefasst machen - etwa bei den einander befehdenden außenpolitischen Denkschulen: die Isolationisten mit Pat Buchanan als Galionsfigur, Neokonservative wie Paul Wolfowitz, und schließlich die Realisten, zu denen der Vater des Präsidenten zählt und die die pragmatische Gangart bevorzugen. "Diese Fraktionierung wird sicher nicht verschwinden", meint Ornstein - im Gegenteil: je schwächer die Demokraten, desto intensiver der Spaltpilz im republikanischen Lager.

Wen sieht Ornstein 2008 als mögliche demokratische Player bei der Präsidentschaftswahl? Vor allem Bill Richardson, den Gouverneur von New Mexico, aber auch John Kerry und John Edward sollte man nicht abschreiben.