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Blair, Bush und der vormenschliche Instinkt

Foto: AP/Dharapak
London/Washington - Britische Verhaltensforscher haben herausgefunden, dass Premierminister Tony Blair in Gegenwart des US-Präsidenten George W. Bush offenbar unbewusst dessen wiegenden Gang nachahmt. Dazu winkelt der Brite die Arme an, so als müsste er jeden Moment bereit sein, zum Colt zu greifen. Professor Richard Dawkins, ein Evolutionsbiologe von Weltruf, führt das Blair'sche Verhalten auf einen vormenschlichen Instinkt zur Imitation des Leittiers zurück.

Es kann für Blair politisch nicht wünschenswert sein, die Wissenschaft in dieser Weise zu befruchten. Und so hat sein Besuch in Washington an diesem Donnerstag und Freitag seine Tücken. Was in den Augen von Bush ohne Zweifel eine Ehre ist - er empfängt den Gast aus London als ersten Regierungschef seit seiner Wiederwahl -, bereitet diesem Kopfzerbrechen. Denn jedes Mal, wenn Blair zusammen mit dem Präsidenten auftritt, sinken daheim seine Umfragewerte. Und in Großbritannien stehen die Wahlen noch bevor.

Am Anfang profitierte Blair noch davon, dass sein Redetalent bei gemeinsamen Pressekonferenzen mit Bush umso günstiger hervorstach. "Ganze Sätze kommen ihm über die Lippen, und alle Wörter sind in der richtigen Reihenfolge", spottete der Independent. Doch mittlerweile ist der so unenglisch auftrumpfende Bush im Königreich geradezu verhasst, wie Umfragen zeigen. Und das färbt auf Blair ab.

Allianz der Ungleichen

Britische Karikaturisten, schon zu Napoleons Zeiten für ihre Schärfe berüchtigt, stellen Blair im Zusammenhang mit Bush nur noch als Pudel, als Schoßhündchen dar. Parteiübergreifend herrscht Einigkeit, dass von der Allianz der beiden ungleichen Partner vor allem Bush profitiert, weil Blair ihn vor der Isolierung bewahrt. Wo aber sind die Vorteile für Blair? Er selbst sagt, dass es viel wert sei, den mächtigsten Mann der Welt beeinflussen zu können. Doch seine Kritiker fragen: Wo hat er ihn denn beeinflusst?

Um diesen Vorwurf zu entkräften, will Blair den Präsidenten nun für die Idee einer Nahost-Friedenskonferenz im kommenden Jahr in London gewinnen. Auffällig ist, dass er in seiner ersten Stellungnahme zu Bushs Wahlsieg geradezu auf das Vokabular seiner parteiinternen Kritiker zurückgriff und daran erinnerte, dass der Terrorismus "nicht nur durch militärische Macht besiegt" werden könne. Wichtiger als alles andere sei eine Wiederbelebung des Nahost-Friedensprozesses. Im Unterhaus wurde Blair in dieser Woche auch von Angehörigen seiner eigenen Fraktion ermahnt, "mit mehr als nur Versprechen" aus dem Weißen Haus zurückzukommen. Mittlerweile befindet sich Blair in der paradoxen Situation, dass er schon jedes Lob aus Washington fürchten muss. (dpa/DER STANDARD, Printausgabe, 11.11.2004)