In Trauer um ihren "Vater" und "Führer" strömten im Westjordanland und im Gazastreifen zehntausende auf die Straßen. Viele trugen Porträts von Arafat mit seiner markanten schwarz-weißen "Kefieh", junge Männer feuerten in die Luft und zündeten Autoreifen an, von den Lautsprechern der Moscheen ertönten Koranverse.

"Der Übergang wird glatt sein", sagte Minister Saeb Erekat, "und das palästinensische Volk hat freie und faire Wahlen verdient". Nur Stunden nach Arafats Tod wurde Parlamentspräsident Rawhi Fattuh als Interimspräsident vereidigt; er muss binnen 60 Tagen Neuwahlen organisieren.

Die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO wählte den früheren Premier Mahmud Abbas zu ihrem neuen Vorsitzenden. Ahmed Korei führt als Premier weiter die Regierungsgeschäfte.

In der Vergangenheit waren Wahlen immer wieder mit der Begründung aufgeschoben worden, dass sie unter der israelischen Besatzung nicht möglich seien. Auch dieses Mal glaubt niemand recht, dass innerhalb der Frist von 60 Tagen Wahlen für die Nachfolge Arafats als Präsident abgehalten werden können.

Ariel Sharon ließ indessen aufhorchen, als er von der Chance auf "eine historische Wende im Nahen Osten" und vom Willen zu "einer politischen Einigung mit den Palästinensern" sprach – doch der israelische Premier relativierte das mit der Mahnung an "die neue palästinensische Führung", dass alles "vom Stopp des Terrors abhängt".

Oppositionschef Shimon Peres, der mit Arafat 1995 den Friedensnobelpreis geteilt hat, zog eine gemischte Bilanz: "Der größte Fehler Arafats war, dass er sich dem Terror zugewandt hat, seine größten Errungenschaften hatte er, als er versuchte, sich dem Frieden zuzuwenden. Wenn er von Anfang an einen politischen Weg gewählt hätte, wären seine Erfolge viel rascher und konkreter gewesen, mit weniger Opfern für sein Volk und unser Volk."

"Ich habe ihn gehasst"

Peres, aber auch Justizminister Josef Lapid empfehlen jetzt, den Rückzug aus dem Gazastreifen zwar wie geplant 2005 durchzuführen, aber nicht einseitig, sondern auf der Basis von Gesprächen mit Arafats Nachfolgern. "Ohne Arafat hätte es längst Frieden in der Region und einen Palästinenserstaat gegeben", sagte Lapid auch. Er habe Arafat "gehasst", fügte er hinzu.

Doch die erste Sorge war für beide Seiten die Abwicklung des Begräbnisses. Mit strikten Abriegelungen wollten die Israelis verhindern, dass hunderttausende Palästinenser aus allen Teilen des Westjordanlands nach Ramallah pilgern, zugleich sollten ausländische Persönlichkeiten, Medienvertreter und palästinensische Funktionäre möglichst ungehindert durchgeschleust werden.

Eines der Albtraumszenarios der israelischen Behörden ist, dass Extremisten irgendwann während der 40 Trauertage mit Arafats Leichnam in Richtung Jerusalem marschieren könnten, um ihn doch auf dem Tempelberg zu begraben. Arafat soll im Mukataa-Komplex in einem provisorischen Betonsarg beigesetzt werden – in der Hoffnung, ihn nach der Gründung des Palästinenserstaats nach Jerusalem zu überführen.

Vertreter der Hamas und des Islamischen Djihad gossen mit der Behauptung Öl ins Feuer, Arafat sei vergiftet worden und Israel habe dabei "eine Hand im Spiel gehabt". Der palästinensische Außenminister Nabil Shaath hatte erklärt, die französischen Ärzte hätten eine Vergiftung ausgeschlossen. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.11.2004)