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Gebet für den Verstorbenen in Ramallah: der neue PLO-Chef Mahmud Abbas, Interimspräsident Rawhi Fattuh (2. von li.) und Premier Ahmed Korei (re.).

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Die Nachfolger Yassir Arafats verfahren ganz nach dem Plan, den das palästinensische Grundgesetz vorsieht: Demnach wären innerhalb von zwei Monaten in den besetzten Gebieten Präsidentschaftswahlen abzuhalten. Ob das die Situation zulässt, wird man sehen.

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Am Ende läuft alles doch so, wie es das palästinensische Grundgesetz ohnehin vorgesehen hat: Der Parlamentspräsident übernimmt die Amtsgeschäfte Yassir Arafats als Vorsitzender der Autonomiebehörde. Wobei es der Palästinenserführung nicht ganz leicht gefallen sein dürfte, nicht stattdessen einen Präsidenten ganz einfach zu ernennen – schließlich befinden sich die Palästinensergebiete in dauerhaftem Ausnahmezustand, und ob die grundgesetzmäßig vorgesehenen Wahlen innerhalb von 60 Tagen abgehalten werden können, ist mehr als fraglich.

Dazu kommt die Tatsache, dass Rawhi Fattuh – dessen Namen die breitere westliche Öffentlichkeit vor wenigen Tagen zum ersten Mal gehört hat – ein politisches Leichtgewicht ist.

"Er ist wie Vanille, ohne starken Geschmack", zitiert die Jerusalem Post am Mittwoch einen Palästinenser. Das hat von der Warte der "echten" Arafat-Nachfolger Mahmud Abbas und Ahmed Korei aus gesehen den Vorteil, dass er lenkbar ist; der Fatah- Mann dürfte darauf verzichten, ein eigenes Profil entwickeln zu wollen. Andererseits, vielleicht wird ja Leadership auf seinem Posten dringend gebraucht werden.

Guter Platzhalter

Einige Beobachter halten Fattuh (55) aber für eine gute Übergangsfigur, er hat sich bereits öfter erfolgreich als Vermittler betätigt, etwa zwischen der neuen und der alten Fatah-Garde oder auch zwischen Arafat und dem früheren Sicherheitschef Muhammad Dahlan (dem Favoriten Israels und der USA für eine zukünftige Topposition, der deswegen von einigen Palästinenserfraktionen gehasst wird. Dahlan hält sich jetzt auffällig zurück, wie auch sein Gegenspieler Jibril Rajub, beide vertreten die mittlere Generation).

Ebenfalls dem institutionellen Prozedere folgend übernimmt erwartungsgemäß Mahmud Abbas (Abu Mazen) die PLO, er war hinter Arafat deren Generalsekretär, jetzt ist sein Titel "Präsident des Exekutivkomitees der Palästinensischen Befreiungsorganisation". Abbas (69), den "Tauben" zugerechnet, war vor Ahmed Korei (Abu Ala, 66) Ministerpräsident, ein Posten, der Arafat erst mühsam abgerungen werden musste.

Kontrolle an Premier

Danny Rubinstein schreibt am Donnerstag in der Tageszeitung Ha'aretz, dass, noch bevor Arafat tot war, Korei als Premier die volle Autorität über die Sicherheitsdienste übernahm: Weil Arafat die Kontrolle nicht abgeben wollte, war damals Abbas zurückgetreten.

Der Tod Arafats scheint auch das Comeback eines Palästinensers zu bringen, von dem man zuletzt nur selten gehört hatte: Faruk Kaddumi (73), langjähriger "Außenminister" der PLO, hatte 1993 den Oslo-Prozess nicht mitgetragen und war nicht mit den anderen "Tunesiern" (Arafat und die PLO waren vor der Rückkehr in die Palästinensergebiete in Tunis im Exil) in die Heimat zurückgegangen.

Arafats Weggefährte der ersten Stunde, der noch immer Unterstützung in der Fatah hat, wurde als deren neuer Chef nominiert; sehr freuen dürfte das Abbas und Korei nicht. Als Chef der politischen Abteilung der PLO hatte Kaddumi die Oberhoheit über die PLO-Vertretungen im Ausland, Abbas hatte während seiner Zeit als Premier versucht, die Kontrolle darüber in die Palästinensische Autonomiebehörde zu bringen.

Kaddumi ist einer jener, die das – von den Ärzten in Paris zurückgewiesene – Gerücht verbreitet haben, dass Arafat von Israel vergiftet worden sei. Mit ihm kehrt ein Hardliner ins Rampenlicht zurück.

Im Hisbollah-TV al-Manar erklärte er, dass er zu politischen Gesprächen bereit sei, dass aber gleichzeitig der bewaffnete Kampf eine Option bleibe. Er präsentierte dies als Vermächtnis Arafats, der habe 1974 vor der UNO gesagt: "Ich halte ein Gewehr in der einen und einen Olivenzweig in der anderen Hand ..."

Auch Kaddumi gehört zu den Alten, und sie alle können es an Popularität bei weitem nicht aufnehmen mit einem Mann, der in einem israelischen Gefängnis sitzt: Marwan Barguti (46), der frühere Fatah-Chef im Westjordanland, ist für die Israelis nicht nur einer der Erfinder der Intifada II, sondern auch in Terrorismus verwickelt und deshalb zu fünfmal lebenslanger Haft verurteilt.

Noch vor Arafats Tod kamen Gerüchte auf, dass Israel ihn freilassen könnte, um zu verhindern, dass die Macht den radikalen Islamisten – in Gaza längst die stärkste politische Kraft – zufällt, falls sich die jetzige Palästinenserführung als zu schwach erweist. Sehr realistisch erscheint das aber nicht. Aber es ist auch nicht wahrscheinlich, dass sich die Hamas heraushält. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 12.11.2004)