Paris - Bis zuletzt wurde um die Krankheit von Yasser Arafat gerätselt. Auch am Tag seines Todes gab es keine offiziellen Angaben über die tödliche Krankheit des palästinensischen Präsidenten. Inzwischen ist das Rätsel, warum aus dem Militärkrankenhaus bei Paris keine Informationen drangen, fast so groß wie das Rätsel über die Todesursache selbst.

"Beim heutigen Stand der Technik kann man bei einem lebenden Menschen praktisch eine Autopsie vornehmen", sagt der New Yorker Hirnspezialist Eric Braverman. "Auch Blut- und Urinproben lagen vor. Wir können ziemlich sicher sein, dass die Ärzte eine Diagnose haben, diese aber nicht öffentlich machen."

Bei Arafats Ankunft in der Percy-Klinik in Clamart vor knapp zwei Wochen war bekannt, dass der Präsident unter einem Thrombozytenmangel litt. Dies kann eine Reihe von Gründen haben, neben Fehlfunktionen des Rückenmarks über Krebs bis zu Infektionen oder einer Vergiftung. Vor seinem Tod erklärten die Ärzte, Arafat habe eine hohe Anzahl weißer Blutkörperchen und leide nicht an Leukämie. Er wurde auf eine Intensivstation verlegt, sein Zustand wurde "komplexer und schwieriger", schließlich fiel er ins Koma.

In Frankreich herrscht wie in Deutschland eine ärztliche Schweigepflicht. Bei seinen wenigen Aussagen vor der Presse verwies der Kliniksprecher stets darauf, dass er dafür die Zustimmung von Arafats Frau Suha habe. Am Dienstag sprach eine hohe Delegation aus Ramallah mit den Ärzten in Clamart, anschließend sagte der palästinensische Außenminister Nabil Shaath: "Wir wissen noch immer nicht genau, warum sich Arafats Zustand verschlechtert hat. Wir haben noch keine exakte Diagnose."

Dies halten Experten für nahezu unmöglich. Selbst bei einer Vergiftung, wie sie die radikal-islamische Hamas den Israelis vorwirft, müsste längst Klarheit herrschen. "Bis heute wäre jedes denkbare Gift identifiziert", meint der New Yorker Hämatologe Simon Karpatkin.

Warum also die Geheimniskrämerei? Neben der gesetzlich vorgeschriebenen Vertraulichkeit glauben einige an eine Taktik der palästinensischen Führung. "Arafats Tod könnte von einer lange bekannten, chronischen Krankheit herrühren", sagt Orient-Experte Rory Miller vom Londoner King's College. "Und nun müssten sich die Politiker aus Ramallah fragen lassen, warum sie nicht früher etwas dagegen unternommen haben."

Aber Beobachter nehmen nicht an, dass die Politiker Bescheid wussten. "Es gibt überall Löcher", sagt der palästinensische Journalist Daud Kuttab. "Sie könnten das Durchsickern der Informationen gar nicht verhindern." So sei auch bekannt geworden, dass Arafat ins Koma gefallen sei und im Sterben liege. Kuttab sieht den einzigen sinnvollen Grund darin, dass Suha Arafat die Erkrankung ihres Mannes geheim halten wollte.

Die von Experten am häufigsten genannte mögliche Krankheit Arafats ist die Disseminierte Intravasale Gerinnung (DIC), bei der es zu einer Vielzahl kleinster Gerinnungen in kleinen Blutgefäßen kommt. Bei alten Menschen ist die Ursache dieser Störung zumeist Krebs oder eine schwere Infektion. (Emma Ross/AP)