Kiew/Moskau - Bis zum letzten Tag hatte die Oberste Wahlbehörde der Ukraine das Ergebnis des ersten Wahlgangs der Präsidentschaftswahlen vom 31. Oktober zurückgehalten. Dienstagabend teilte sie dann mit, dass doch nicht Viktor Janukowitsch, der prorussische Premier und vorbestrafte Protegee mächtiger Industrieclans, sondern der westorientierte Oppositionskandidat Viktor Juschtschenko die meisten Stimmen erhalten hatte. Bei 74,5 Prozent Wahlbeteiligung liegt er mit 39,87 Prozent zwar nur um 0,55 Prozent vor Janukowitsch, die Platzierung bedeutet jedoch einen gewissen psychologischen Vorteil für die Stichwahl am 21. November.

Es ist "ein Sieg der Demokratie", freute sich Juschtschenko: "Für viele Leute ist es moralisch sehr wichtig zu wissen, wie der erste Wahlgang geendet hat. Es geht nicht um Prozente, sondern darum, dass ich ungeachtet der Wahlfälschungen gesiegt habe."

Das Ergebnis kann die Kräfteverteilung wesentlich ändern. Die bis zuletzt Unentschlossenen könnten auf den Etappensieger setzen, laut Umfragen glauben immer mehr Bürger an einen Sieg Juschtschenkos. Der mächtige Bürgermeister der Hauptstadt Kiew, Alexander Omeltschenko, hat sich bereits auf die Seite Juschtschenkos geschlagen; es wird erwartet, dass es ihm mehr und mehr Regionalgouverneure gleich tun.

Mitentscheidend für die Stichwahl werden auch die Wahlempfehlungen der Verlierer sein. Der Sozialist und Wahldritte Alexandr Moroz und ein weiterer Kandidat bringen Juschtschenko knappe sieben Prozent. Janukowitsch erhält ungefähr gleich viel von den Kommunisten und progressiven Sozialisten. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.11.2004)