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STANDARD: Herr Doktor Gatscha, welche Kosten waren Ihrer Meinung nach Schuld an der Krida des FC Tirol?

Gatscha: Das Eigenkapital des FC Tirol war laut Buchhaltung am 30. 6. 1997 mit minus 4,723.418,57 Schilling, also rund 343.000 Euro, bereits negativ. Nach Amtsantritt des Martin Kerscher kletterte das Minus bis 30. 6. 1999 auf 25,544.852,92 Schilling, rund 1,85 Millionen Euro. In der Ära des als Sanierungsspezialist angetretenen Othmar Bruckmüller, der ab 15. 9. 1999 Leiter der Finanzabteilung des FC Tirol war, stiegen die Verluste in Etappen auf rund zehn Millionen Euro, unter Bruckmüllers alleiniger Präsidentschaft ab 31. 10. 2001 bis Konkurseröffnung am 31. 12. 2001 auf 13,4 Millionen Euro. Insgesamt sind mehr als 25 Millionen Euro an Forderungen angemeldet und davon über 18 Millionen anerkannt. Addiert man zu dieser Summe die 12,6 Mio. Euro, die Bruckmüller in den Klub investiert haben will, beträgt der Gesamtabgang zwischen 30 und 47 Millionen Euro.

STANDARD: Gut, aber waren die angeblich horrenden Spielergagen der Sargnagel des Klubs?

Gatscha: Der Abgang kann mit den Spielerkosten nicht erklärt werden, diese betrugen in den Wirtschaftsjahren 1998 bis 2002 rund 27,8 Millionen Euro. An Einnahmen wurden in der gleichen Periode rund 30,2 Millionen Euro erzielt. Wenn man noch als Erfahrungswert ein jährliches Budget von 1,5 Millionen Euro für sonstige Aufwendungen einplant, ergibt sich in der Betrachtungsperiode ein zu erwartender Verlust von rund 2,3 Millionen Euro. Der tatsächlich vorliegende Verlust ist daher nur durch außergewöhnliche Entwicklungen, die kein Verantwortlicher bisher offen legte, erklärbar.

STANDARD: Genießen Berufsfußballer Vertragssicherheit?

Gatscha: Grundsätzlich genießen Berufsfußballer die gleiche Vertragssicherheit wie andere Arbeitnehmer. Das Problem liegt aber im meist unkontrolliert agierenden Management. Ein Fußballverein der obersten Spielklasse bedarf einer professionellen Führung, vergleichbar einem Wirtschaftsbetrieb mit rund fünfzig Dienstnehmern. Tatsächlich begegnet man wiederholt dem Phänomen des "Wochenendpräsidenten", der diese verantwortungsvolle Aufgabe als Nebenjob betrachtet und nicht die gehörige Zeit und Sorgfalt investiert. Das führt direkt in die Pleite, die einen Berufsfußballer mit einer statistisch signifikant höheren Häufigkeit trifft als einen "normalen Angestellten".

STANDARD: Gibt es ein Land, das hinsichtlich der Steuerveranlagung, Verwertung der Persönlichkeitsrechte, Vertragsgestaltung, der Beziehung Kapitalgesellschaften/Gemeinnützigkeit ein Vorbild wäre?

Gatscha: Leider nein. England könnte als Modell für die Finanzierung von Vereinen und Berufsvertretungen, Italien für Sicherheit von registrierten Verträgen und die Niederlande für die Altersabsicherung dienen. Ein Land, in dem alles richtig gemacht wird, gibt es nicht. Zur Diskussion gestellt sollte vor allem die Rechtsform des Vereines werden, wenn in der Realität Erfordernisse zu erfüllen sind, wie bei Wirtschaftsgesellschaften.

STANDARD: Bringt das neue Vereinsgesetz eine Verbesserung oder eine Verschlechterung für die Führung von Profiklubs?

Gatscha: Sicher eine Verbesserung, zumal Rechnungslegungsvorschriften eingeführt wurden, die zur transparenten Gebarung führen sollen.

STANDARD: Reichen die geltenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen aus, oder braucht Österreich ein Berufssportgesetz oder einen Kollektivvertrag?

Gatscha: Mit geringfügigen Anpassungen reichen die bestehenden arbeitsrechtlichen Vorschriften. Es wurde bisher kein triftiger Grund bekannt, insbesondere bei Mannschaftssportarten von den Rechtsvorschriften für unselbstständige Arbeitnehmer abzuweichen. Notwendige Anpassungen etwa hinsichtlich der Arbeitszeit, des Urlaubsrechtes oder des Disziplinarwesens könnten am zweckmäßigsten und mit dem geringsten Aufwand durch einen Kollektivvertrag erfolgen. Leider brach die Bundesliga, nachdem sie sich die Kollektivvertragsfähigkeit vor einem Höchstgericht erkämpft hatte, die Verhandlungen über einen bereits unterschriftsreif scheinenden Kollektivvertrag mit der merkwürdigen Bemerkung ab, dass bei Vereinen der obersten Spielklasse Betriebsratswahlen stattgefunden haben. Ob das ein erwachsener Zugang zu der Problematik ist, möge jeder für sich beurteilen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13./14.11.2004)