Wien - Es war ein Versehen: Im Sozialausschuss des Parlaments tauchten am Freitag sieben Seiten mit Fallbeispielen und Berechnungstabellen zur Pensionsharmonisierung auf, die jede Kritik der Oppositionsparteien bestätigen. Das Papier stammt aus dem Sozialministerium und wurde irrtümlich verteilt. Die Berechnungen belegen jene warnenden Beispiele, die die Opposition schon vor Wochen vorgelegt hatte, und die von der Regierung als Lügenpropaganda vom Tisch gewischt wurden.

Die Rechnung wird anhand eines fiktiven männlichen Arbeiters präsentiert, der mit 62 Jahren im Jahr 2016 in Pension gehen möchte. Der heute 50-Jährige, der bei Inanspruchnahme des so genannten Pensionskorridors mit 62 Jahren in Pension geht, muss mit Verlusten von 19,6 Prozent rechnen. Die Oppositionsparteien hatten schon früher genau diese Zahlen veröffentlicht. SPÖ und Grüne fordern nun die Rücknahme des Pensionsgesetzes.

62-jähriger Mann würde 1068 statt 1328 Euro erhalten

Als Fallbeispiel wurde angenommen, dass bei einem Pensionsantritt im Jahr 2016 ein dann 62-jähriger Mann bei einem angenommenen Letzteinkommen von 2000 Euro monatlich und 45 Beitragsjahren statt 1328 Euro monatlicher Bruttopension durch die Harmonisierung nur mehr 1068 Euro erhielte. Dies sei ein Verlust von 19,6 Prozent gegenüber der Rechtslage 2003.

Nach mehreren Stunden Diskussion hat das neue Pensionsgesetz dennoch mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ den Ausschuss passiert, die endgültige Beschlussfassung steht am kommenden Donnerstag im Nationalrat an. Ob bis dahin auch die Beamten mit an Bord geholt werden können, bleibt weiter offen.

Beamte

Fritz Neugebauer, der Vorsitzende der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), fordert für seine Klientel die sofortige Absenkung der Beiträge von 12,55 auf 10,25 Prozent sowie die unmittelbare Einführung einer Höchstbeitragsgrundlage.

Bei der ebenfalls geforderten Pensionskasse bot Finanzstaatssekretär Alfred Finz den Beamten eine "spezielle Mitarbeitervorsorge" an, womit die von ihnen beklagten Verluste "abgefedert" werden könnten. Finz: "Damit kann ich alles abdecken."

Kompliziertes System

Im Wesentlichen sieht die Pensionsharmonisierung ein einheitliches Pensionsrecht (mit Ausnahmeregelungen) ab 1. 1. 2005 vor. Bisher erworbene Ansprüche bleiben bestehen, was aufwändige Parallelrechnungen und laut Pensionsexperten "das komplizierteste System der Welt" mit sich bringt. Das Regelpensionsalter sollte 65 sein, dann gebe es bei 45 Beitragsjahren 80 Prozent des Lebensdurchschnittseinkommens. Ein Korridor zwischen dem 62. und dem 68. Lebensjahr ermöglicht einen früheren oder späteren Ruhestand mit entsprechenden Zu- und Abschlägen.

FPÖ-Chefin Ursula Haubner betonte am Freitag, man habe mit der Harmonisierung "die richtigen Schritte" gesetzt. Einzig das Faktum, dass viele Frauen über 60 keine eigenständige Pension beziehen, hält sie für "nicht akzeptabel". (kmo, völ, DER STANDARD, Printausgabe 13./14.11.2004)