Die Beziehungen zwischen Staat und Kultursektor sind vielfältig. Neben der Gesetzgebung, die den rechtlichen Rahmen für diesen Sektor absteckt, agiert der österreichische Staat als zentrale ökonomische Instanz. Der Bund gibt jährlich rund 750 Millionen Euro für diesen Bereich aus. Das sind etwa 42 Prozent der gesamten öffentlichen Kulturausgaben. Mit seinen ökonomischen Aktivitäten setzt der Staat bestimmte Strukturen durch, welche die Gesamtlandschaft des österreichischen Kultursektors prägen. Das IKM, das Institut für Kulturmanagement und Kulturwissenschaft der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst, erstellt regelmäßig eine vereinheitlichende Darstellung der Kulturausgaben des Bundes und der Bundesländer. Die Vergleichszahlen der vergangenen Jahre zeigen Ungleichheiten bei der Vergabe der Fördermittel. Eine vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur geförderte Tagung am 19. November beschäftigt sich mit Verfahrensregeln und der Mittelverteilung. Peter Tschmuck und Tasos Zembylas vom IKM sinnierten vor der Tagung in einem ALBUM-Gespräch über die Rolle des Staates als Kultur fördernde Instanz.

STANDARD: Der Anspruch auf Subventionierung ist im Kunstförderungsgesetz nicht wirklich klar formuliert. Aber gibt es nicht einen Gleichheitsgrundsatz, nach dem dann alle Förderwerber gleich zu behandeln sind?

Tasos Zembylas: Es gibt keinen subjektiven Rechtsanspruch auf Kunstförderung. Wichtig ist dennoch, dass gleiche Fälle gleich behandelt werden. Der Gleichheitsgrundsatz ist ein Grundprinzip des Rechtsstaates. Ein Problem bei der Vergabe von Subventionen ist die Transparenz des Verfahrens. Die formellen Einreichungsvoraussetzungen sind bekannt, aber die ästhetischen Entscheidungskriterien werden in der Regel nicht ex ante formuliert. Sie werden im Nachhinein zurechtgebogen. Meines Erachtens nach ist es unerlässlich, klare Verfahrensstandards und einklagbare Rechte einzuführen.

Peter Tschmuck: Dabei geht es nicht um absolute Gleichheit. Die Theaterbranche ist die Kunstsparte mit den höchsten Fördersummen. Die Bundestheater erhalten mehr als drei Viertel der Theaterförderungen des Bundes und haben einen Rechtsanspruch (wie etwa die Salzburger Festspiele und die Bundesmuseen, Anm.). Der Unterschied liegt darin, dass diese anderen vom Ermessen des Staatssekretariats für Kunst abhängig sind. Haben sie Pech, bekommen sie, nachdem die großen Institutionen ihre Förderungen erhalten haben, die Antwort: Es ist kein Geld mehr da.

STANDARD: Einige Bundesländer haben ihre Budgets für die freie Szene erhöht. Lässt sich dort eine Tendenz ableiten?

Peter Tschmuck: Die Ungleichheit besteht weiterhin. Es gibt eben eine Reihe von großen Institutionen der Repräsentationskultur, die auch auf Länderebene die meisten Subventionen absorbieren. Es ist natürlich zu begrüßen, wenn zusätzliche Mittel für Freie zur Verfügung stehen.

STANDARD: Die Einhaltung eines Kulturauftrags ist dann schwierig.

Tasos Zembylas:Der Kulturauftrag, der im Kunstförderungsgesetz formuliert ist, kann nicht wirklich eingehalten werden. Der Staat hat sich verpflichtet, die Vielfalt der Kunst zu fördern.

STANDARD: Denken Sie bei Ihrer Arbeit auch an Standards zur Gewährleistung einer Umverteilung im regionalen Sinne, wie sie der Kunststaatssekretär beabsichtigt?

Tasos Zembylas: Herr Morak hatte das in dem Moment proklamiert, als er den Wiener Festwochen die Förderungen abzog. Ein nüchterner Blick in die Ausgaben der Kunstsektion in den vergangenen vier Jahren lässt keine verstärkte Förderung der Regionalinitiativen erkennen.

Peter Tschmuck: Die Zahlen bestätigen das: Die Ausgaben für die regionalen Kulturinitiativen betrugen 2002 rund 3,5 Millionen Euro. Das entspricht 0,5 Prozent des gesamten Kulturbudgets.

STANDARD: Wichtig ist Ihnen auch die Thematisierung der Machtasymmetrie zwischen Staat und Werbern. Wie macht sich diese bemerkbar?

Tasos Zembylas: Fairness wird nie von denen angesprochen, die Macht besitzen, sondern von denen gefordert, die benachteiligt sind. Fairness ist ein Instrument des Machtausgleichs, insofern ein wichtiger Aspekt der Demokratie. Machtkonzentration sollte vermieden werden. In der Kulturpolitik bedeutet das unter anderem Stärkung der Rechtsposition der Förderungswerber sowie Einbindung auch ihrer Interessenvertretung in Entscheidungsprozesse.

STANDARD: Als eine Maßnahme schlagen Sie vor, Beiratssitzungen öffentlich abzuhalten. Würden die abgelehnten Künstler das wollen?

Peter Tschmuck: Transparenz ist die Voraussetzung für Fairness. Ich kann nur dann fair handeln, wenn ich weiß, wer wie viel bekommen hat. Und wer nichts bekommen hat.

STANDARD: Für eine Qualitätsdebatte wünschen Sie sich die Einebnung der Klassifizierungen hohe, triviale und freie Kunst. Hat man die nicht automatisch, wenn, was Sie ebenso fordern, ästhetische Kriterien bekannt gegeben werden? Das Problem der normativen Debatte ist der kunsttheoretischen doch inhärent.

Tasos Zembylas: Richtig. Ich würde sagen, das ist eine Grundproblematik. Ästhetische Debatten sind nicht wertfrei. Es gibt keine fixen und universellen Kriterien. Es ist besser, auf Schemata zu verzichten und Dingen möglichst frei zu begegnen. (Marietta Böning, DER STANDARD, Printausgabe vom 13./14.11.2004)


Zu den Personen

Peter Tschmuck ist ao. Universitätsprofessor für Kulturbetriebslehre am Institut für Kulturmanagement der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und studierter Betriebs- und Volkswirt. Seine Forschungsschwerpunkte sind Kulturmanagement und Kulturökonomie, insbesondere Musikökonomie.

Tasos Zembylas ist ao. Universitätsprofessor für Kulturbetriebslehre am Institut für Kulturmanagement der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien sowie Leiter des Lehrgangs Kulturmanagement. Er ist studierter Philosoph mit den Forschungsschwerpunkten Kunstphilosophie, Kunstsoziologie und Berufsfeldanalyse.