Es scheint, als habe der PLO-Chef im Tode seinem Volk die Chance eröffnet, das zu erreichen, was ihm Zeit seines Lebens nicht vergönnt war - Ein Kommentar der anderen von Saad Eddin Ibrahim
Redaktion
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Wenn man die Politik als die Kunst des Kompromisses definiert, so war Arafat auf palästinensischer und arabischer Ebene ein Meister darin. Er schaffte es, über vierzig Jahre lang am Ruder zu bleiben, ohne dass ihm ernst zu nehmende Herausforderer seine Funktion streitig gemacht hätten. International jedoch bewegte er sich nicht im Takt mit der Zeit nach dem Kalten Krieg. Unabhängig davon, ob er hierfür allein die Schuld trägt oder nicht: Im August 2000 wurde in Camp David eine echte Chance auf einen historischen Kompromiss vertan, und Arafat gestand dies ein Jahr später auch selbst ein. Zu diesem Zeitpunkt war es aber schon zu spät, da sowohl in den USA als auch in Israel inzwischen ein Machtwechsel stattgefunden hatte und kein Interesse mehr bestand, sich mit ihm zu befassen.
Ironie der Geschichte
Während der letzten vier Jahre seines Lebens schrumpfte Arafats Platz in der Öffentlichkeit - im buchstäblichen wie im metaphorischen Sinne. Es gelang ihm weder, seine israelischen Gegner erneut zu Verhandlungen zu bewegen, noch die selbstmörderischen militanten Fanatiker im eigenen Lager zu kontrollieren.
Ebenso wenig war er in der Lage, der wild wuchernden Korruption innerhalb der Palästinenserbehörde Grenzen zu setzen, geschweige denn sie zu bekämpfen. Auch dass das Interesse der Weltöffentlichkeit zunehmend von Bushs "Krieg gegen den Terror" in Afghanistan und im Irak usurpiert wurde, hat Arafats Sache mehr geschadet als genützt. Wie sein eigener Körper hatte Arafats vertraute Welt begonnen, langsam, aber sicher zu verblassen und zu welken, und damit einher ging ein unwiederbringlicher Verlust an Kontrolle.
Ironischerweise jedoch sind sich - während er im Sterben lag - die weltweiten politischen Führer und die Medien der Bedeutung wenn nicht der Person, so doch der Führungsrolle Arafats wieder bewusst geworden. Der anhaltende Fokus der Medien auf Arafat, fast bis zum Punkt der Publikumsübersättigung, hat die die palästinensische Frage einmal mehr ins Zentrum der weltweiten Aufmerksamkeit gerückt. Erklärungen von Tony Blair, Jacques Chirac, Kofi Annan und anderen anlässlich Arafats Todes haben nachdrücklich die zügige und lange überfällige Lösung des Konflikts gefordert.
Es scheint, als habe der PLO-Chef im Tode seinem Volk die Chance eröffnet, das zu erreichen, was zu verwirklichen ihm zu Lebzeiten nicht vergönnt war - den Traum von einem unabhängigen, demokratischen palästinensischen Staat. Es ist Arafats letztes Hurra.
(DER STANDARD, Printausgabe, 15.11.2004)
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