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Wenige Tage vor dem Beginn eines Gipfeltreffens der Asien-Pazifik-Wirtschaftskooperation (Apec) in Chile belastet ein ungeklärter militärischer Zwischenfall die Beziehungen zwischen China und Japan. Ein nach Berichten aus Tokio zur chinesischen Marine gehörendes atombetriebenes U-Boot der Han-Klasse war vergangenen Mittwoch in japanische Hoheitsgewässer eingedrungen. Es hielt sich zwei Stunden südlich vor Okinawa auf, wo auch mehr als die Hälfte der 40.000 US-Truppen in Japan stationiert sind. Japanische Zerstörer und Flugzeuge verfolgten das U-Boot bis auf 500 Kilometer nordwestlich der äußersten japanischen Insel. Japans Behörden hielten bis Freitag den Vorfall geheim. Nach Ansicht diplomatischer Beobachter wollten sie Peking die Gelegenheit zu einer Entschuldigung geben. Als diese ausblieb, wurde der chinesische Geschäftsträger zur Entgegennahme eines Protests einbestellt. Peking erklärte zu den Vorwürfen bisher nur, es werde sie untersuchen lassen. Proteste Ein für den 20. November vorgesehenes Treffen zwischen Staatspräsident Hu Jintao und Japans Premier Junichiro Koizumi am Rande der Apec droht nun zu scheitern. Beide Staatsführer haben seit 2002 nicht mehr direkt miteinander gesprochen. China protestierte damit gegen Koizumis Besuche im Yasukuni-Schrein, wo auch japanische Kriegsverbrecher aus der Zeit der Okkupation Chinas bestattet sind. Seit dem Sommer versucht Pekings Führung jedoch, die Beziehungen zu Japan wieder zu verbessern. Spitzenpolitiker und der bisherige Vizeaußenminister Wang Yi als neuer Botschafter wurden nach Tokio entsandt. Streit um Gasfelder

Denn China und Japan haben noch mehr Differenzen als den Umgang mit der Vergangenheit. Beide beanspruchen Öl- und Gasfelder im ostchinesischen Meer und streiten um den Besitz der rund 500 Kilometer von Okinawa entfernten und von Japan kontrollierten Senkaku-Inseln (chinesisch: Diaoyu-Inseln). Im Oktober begannen Peking und Tokio erste Gespräche über die Erschließung der Gasfelder. Sowohl die Gasfelder wie auch die Diaoyu-Inseln liegen auf der Route, die das chinesische U-Boot nahm.

Sein Eindringen in japanische Hoheitsgewässer hat bereits Spekulationen ausgelöst, ob sich dahinter eine Machtdemonstration verbirgt. Der Vorfall erscheint umso mysteriöser, weil Chinas Marineführung damit rechnen musste, dass ihr veraltetes U-Boot sofort entdeckt werden würde. Das Nachrichtenmagazin Herold Leader, das Pekings Staatsagentur Xinhua herausgibt, berichtet über hochmoderne Radar- und Sonaranlagen, die Japans Marine zur Kontrolle des ostchinesischen Meeres installiert hat. (DER STANDARD, Printausgabe, 15.11.2004)