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Die Täter gehen beim Wildern zunehmend brutaler vor

Foto: APA/dpa/Roessler

Innsbruck - In den Tiroler Wäldern findet man derzeit mehr Gendarmen als üblich. Der Grund: In den vergangenen Wochen häuften sich Wildereien. Insgesamt 24 Fälle wurden heuer bisher laut Exekutive bekannt, alleine im Bereich des Gendarmeriepostens Kematen (Bez. Innsbruck-Land) schlugen Wilddiebe seit Mitte Oktober dreimal zu. Der materielle Schaden liegt insgesamt bei 48.000 Euro. Erschreckendes Detail: Bei der Pirsch gehen die Täter zunehmend brutaler vor.

Immer mehr in Mode zu kommen scheint dabei das Wildern von einem Fahrzeug aus: Das Tier wird dabei mit einem Scheinwerfer geblendet. Vielfach kommen in diesem Zusammenhang mit Schalldämpfer versehene Kleinkaliberwaffen zum Einsatz. Dabei handelt es sich nach dem Gesetz um Tierquälerei, weil das Wild aufgrund der verwendeten Munition meistens nicht sofort verendet, sondern erst nach Stunden oder Tagen.

Die Brutalität, mit der Wilddiebe vermehrt vorgehen und bei der die Tiere keine Chance haben, stößt bei Landesjägermeister Paul Steixner auf völliges Unverständnis: Mit traditioneller Wilderei habe dies nichts mehr zu tun. Das Wildbret werde zudem heutzutage meistens zurückgelassen, nur noch die Trophäe scheine interessant zu sein.

Markt für Trophäen

Eine Einschätzung, die auch die Exekutive teilt. "Bei unseren drei Fällen wurde einmal einem Hirsch das Haupt abgetrennt, die beiden anderen Tiere wurden offensichtlich von den Tätern nicht mehr gefunden und verendeten qualvoll", berichtet ein Beamter des Postens Kematen. Was mit den Beutestücken passiert, ist unklar.

"Wir glauben eher nicht, dass die Täter die Köpfe bei sich zu Hause aufhängen, da dann Fragen nach der Herkunft drohen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es einen Markt gibt und die Trophäen ins benachbarte Ausland verkauft werden", schätzt der Gendarm. Die Fahndung nach den Wilddieben ist schwierig, auch wenn immer wieder Verdächtigungen die Runde machen. Heuer konnten erst zwei Täter ausgeforscht werden, im vorigen Jahr waren es sechs - bei 25 bekannt gewordenen Fällen. Besonders aktiv waren die Wilderer in Tirol im Jahr 2001, damals töteten sie gleich 40 Tiere. Die ertappten Wildschützen kommen in der Regel mit Geldstrafen, die bis zu 360 Tagessätzen ausmachen können, davon. Wiederholungstätern drohen aber auch bis zu drei Jahren Haft.

Die Ursprünge des Wilderns liegen etwa 1000 Jahre zurück: Der Adel verbot den Bauern die Jagd und nahm dieses Recht nur für sich selbst in Anspruch. Die Wildschützen, die damals viel zur bäuerlichen Ernährung beitrugen, waren Rebellen und bei den Gebirgsbewohnern sehr angesehen.

Erst 1848 erhielten die Bauern das Jagdrecht wieder, aber ihre Armut blieb. Nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg gingen auch einfache Arbeiter wildern, um etwas Kräftiges auf dem Teller zu haben. Und noch heute pilgern Anhänger zum Grab des vor 22 Jahren von einem Jäger beim Wildern erschossenen Osttirolers Pius Walder.

Der echte Wildschütz hatte früher einen speziellen Ehrenkodex: Er wollte mit dem bloßen Raubschützen, der wahllos auf alle Tiere schoss, nichts zu tun haben. Er verachtete auch jene Wilderer, die Schlingen legten und so das Wild großen Qualen aussetzten. In Ermangelung von geländegängigen Automobilen war der Raubzug früher auch bedeutend anstrengender: Der klassische Wilddieb musste früh aufbrechen, weit marschieren und das erlegte Wild selbst tragen. (APA, moe; DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.11.2004)