Korn/Ferry-Chef Paul Reilly: Manager lächeln wieder.

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STANDARD: Die Wahlen haben die USA als eine tief gespaltene Nation gezeigt. Gilt das auch für US-Spitzenmanager?

Reilly: Die USA sind gar nicht so gespalten, zumindest nicht über die grundsätzlichen Ziele - Jobs, Gesundheit und Sicherheit. Bei der Wahl ging es über den besten Weg, wie man dort hinkommt. Die Mehrheit der Wirtschaftstreibenden war für Bush.

Das heißt nicht, dass sie in allem mit ihm übereinstimmen, aber sie schätzen seine Steuerpolitik und seinen Glauben an die freie Marktwirtschaft. Das ist der große Unterschied zu Europa.

STANDARD: Heißt das, sie wollen noch weniger Sozialstaat?

Reilly: Man kann den Eindruck gewinnen, dass soziale Standards in den USA weniger wichtig sind. Aber schauen Sie sich an, wie viel US-Unternehmen spenden, ein Vielfaches vom Rest der Welt. Auch bei der Gesundheit herrscht Einigkeit darüber, dass jeder Mensch ein Anrecht auf Versorgung hat.

Viele sagen, ich will eine Gesundheitsversorgung, aber nicht vom Staat. Der private Sektor kann das besser, indem er Arbeitsplätze schafft. Das denken auch viele einfache Bürger. Die Topmanager waren nicht für Bushs Wiederwahl verantwortlich, von ihnen gibt es nicht genug.

STANDARD: Wichtig waren Religion, moralische Werte. Merkt man das in der Firmenwelt?

Reilly: Ich glaube nicht, dass die religiöse Rechte die Wahlen entschieden hat. Die gleichen Leute haben Bush auch vor vier Jahren gewählt. Bush hat in jeder Wählerkategorie gewonnen, auch bei Latinos, bei Frauen. Es geht vielleicht um konservative Haltungen, aber nicht um Religion.

STANDARD: Dennoch schaut es so aus, als ob die USA und Europa auseinander driften. Reilly: Politisch ja, wirtschaftlich nicht. Der Trend in der Weltwirtschaft geht in Richtung mehr Zusammenarbeit, nicht weniger. Das gilt auch für die Topmanagerebene.

Da gibt es mehr Austausch als je zuvor. In Zürich treffe ich die CEOs (Vorstandschefs) von zwei Schweizer Firmen: Einer ist Deutscher, der andere Amerikaner. Vor zehn Jahren wäre das nicht möglich gewesen. Und je mehr Manager im Ausland arbeiten, desto näher rückt die Welt zusammen.

STANDARD: Merkt man nicht zwischen europäischen und amerikanischen Managern eine Kluft der Werte?

Reilly: Kulturelle Unterschiede gibt es auch zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz. Jeder internationale Spitzenmanager muss lernen, damit umzugehen. Gute Manager schätzen das als spannenden Teil ihrer Arbeit.

STANDARD: Was erwarten sich US-Manager denn von Bushs zweiter Amtszeit?

Reilly: Wir hatten jetzt 14 Monate Jobwachstum in den USA, und die Wirtschaft wächst trotz hohen Ölpreises und Terrorangst weiter. Die Dynamik Amerikas breitet sich auf die ganze Welt aus, auf Asien und allmählich auch auf Europa. Bloß Deutschland bleibt ein Sorgenkind. Das merken wir auch bei Korn/Ferry: Die Nachfrage nach Managern wächst rasant.

STANDARD: Geht die Konjunktur nicht bereits wieder bergab?

Reilly: Seit dem Sommer fällt mir auf: Manager planen neue Investitionen, sie wollen wieder anstellen, und sie lächeln wieder mehr.

STANDARD: Der letzte Aufschwung war geprägt vom "Kult des CEO". Das endete mit Enron & Co. Kommt der Kult jetzt wieder?

Reilly: Nein, die Ära des Superstar-CEO ist vorbei. Die Zeit der Internetblase war eine Ausnahme und wird sich nicht so schnell wiederholen. Die Aufsichtsräte sind aktiver denn je, und bei der Suche nach Topmanagern ist Prominenz kein Faktor.

Die Manager, die wir suchen, sind integrativ, sie können zuhören, sie können gut umsetzen, und sie sorgen sich um das Unternehmen, nicht um sich selbst. (DER STANDARD Printausgabe, 15.11.2004)