Bild nicht mehr verfügbar.

Herbert Grönemeyer bei einem seiner Konzerte

dpa/apa/Roland Weihrauch
Mittwochmittag. Ein nobles Wiener Innenstadtlokal. Ein festlich gedeckter Tisch. Ein gut aufgelegter Herbert Grönemeyer. Es sprudelt nur so aus ihm heraus: "Als Künstler muss man die Menschen bewegen. Bei jedem meiner Konzerte arbeite ich daran, dass das Publikum beschwingt bleibt - auch beim Nachhausegehen", sagt er zum KARRIERENSTANDARD. Herbert Grönemeyer ist für viele Menschen zu einer Identifikationsfigur geworden: Er ist erfolgreich, gebildet, ehrgeizig, ausdauernd, hat Spaß bei der Arbeit und erlaubt es sich immer wieder, Kritik gegenüber Wirtschaft und Politik - nicht nur in seinen Liedtexten - frei zu äußern.

Was er einem Jugendlichen, der heute ebenfalls eine künstlerische Laufbahn einschlagen will, raten würde? - "Er müsste sich zunächst fragen, ob er es selber wirklich will, und ob er es auch machen würde, wenn er keinen Erfolg hätte", kommt es wie aus der Pistole geschossen. Welche Skills bei Künstlern erforderlich seien? - "Stehvermögen. Nicht nur bei Künstlern, eigentlich bei jedem berufstätigen Menschen. Vor allem bei Politikern und Managern. Selber Verantwortung für mein eigenes Handeln zu tragen, kreativ zu sein. Das Schema ist man selber: Man muss an sich glauben." Was Karriere für ihn bedeute? - "Ich habe viel Glück gehabt, habe Disziplin am Theater gelernt. Und zwar, als ich täglich von neun Uhr morgens bis ein Uhr nachts arbeiten musste. Da habe ich gelernt, meine Kräfte zu dosieren. Kneifen ist dort nicht erlaubt."

Ob es im Laufe einer künstlerischen Karriere wichtig sei, sich neu zu positionieren? - "Machen wir's den Bauern nach: Wenn die Ernte gut ist, wird neu gesät. Wenn ich mit einem neuen Album auf den Markt komme, weiß ich nie, wie der Erfolg aussehen wird: Alles ist immer anders. Und das ist gut so. Ich versuche mich immer neu zu erfinden." Ob er ein Lebensmotto habe? - Kurze Nachdenkpause: "Sei du selbst" und "Lebe den Moment". Herbert Grönemeyer schmunzelt.

Grönemeyer live

Szenenwechsel. Mittwochabend in der größten industriellen Fertigungshalle der Firma Siemens in Wien. 1200 Menschen, nein, Fans sind gekommen, sitzen oder stehen, um ihr Idol live zu beäugen.

Grönemeyer erzählt aus seinem Leben. Er hat während der Schulzeit eine Band gegründet und die Musik zu einem Beatles-Musical für das Schauspielhaus in Bochum geschrieben. Gleich nach der Matura 1975 zog es ihn ans Theater: Er ist Autodidakt. Seine Stationen lauten Freie Volksbühne Berlin, Württembergisches Staatstheater in Stuttgart, Kölner und Hamburger Schauspielhaus.

Er spielt Wedekind, Shakespeare und singt den Grafen Orlowski in der "Fledermaus". Daneben studiert er Jus und Musikwissenschaften. Große Popularität erlangt er als Leutnant Werner in Wolfgang Petersens Kinofilm "Das Boot" nach dem Roman von Lothar-Günther Buchheim 1981. Es folgen "Frühlingssinfonie" (mit Nastassja Kinski) und der TV-Vierteiler "Väter und Söhne" (mit Burt Lancaster, Julie Christie, Bruno Ganz). Seine ersten musikalischen Schritte floppten allerdings: Die Alben "Grönemeyer", "Total egal" und "Gemischte Gefühle" erwiesen sich noch als Ladenhüter. 1984 landete er schließlich nach dem Wechsel von Intercord zur Kölner Emi den ersten Supererfolg mit "4630 Bochum". Das Album bleibt übrigens 79 Wochen Nummer-eins-Hit in der deutschen Hitparade. Der Song "Männer" wird später vom Spiegel sogar als "Deutschlands geheime Nationalhymne" gefeiert. Es folgen Lieder wie, "Flugzeuge im Bauch", "Kinder an die Macht" und "Ich hab Dich lieb" - besonders erfolgreich in Österreich. 1990 unternimmt "Gröni", wie er mittlerweile von seinen Fans genannt wird, mit dem Album "Luxus" eine 50-Städte-Tournee durch Deutschland, Österreich und die Schweiz und wird von der FAZ als "Sänger des neuen Deutschland" gefeiert. 1998 erscheint das Album "Bleibt alles anders". Die anschließende Tournee bricht er jedoch wegen privater Schicksalsschläge ab: Sein Bruder und seine Frau Anna Henkel sterben innerhalb einer Woche hintereinander an Krebs. Grönemeyer zieht sich mit seinen beiden Kindern nach London zurück. Das Album "Mensch" erscheint 2002 und knüpft an seinen "4630 Bochum"-Erfolg an. Was ihm am beruflichen Erfolg gefalle, will Academy-of-Life-Moderator Peter Dusek schließlich wissen. - "Jeder Abend ist ein neuer Flirt." (Der Standard, Printausgabe 13./14.11.2004)