Wien - Der Schwangerschaftsabbruch ist in Österreich seit 30 Jahren straffrei, wenn er - nach ärztlicher Beratung - in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft erfolgt. Dieses Gesetz - "Fristenregelung" bzw. "Indikationslösung" - ist 1974 nach harten Kontroversen letztlich nur mit den Stimmen der SPÖ beschlossen worden und am 1. Jänner 1975 in Kraft getreten. Der Ton der Debatte hat zwar an Schärfe und Aggressivität im Laufe der Jahre abgenommen, das Thema ist aber nach wie vor aktuell. Vor knapp drei Wochen haben in Salzburg sowohl BefürworterInnen als auch GegnerInnen demonstriert.

Bedingungen

Laut Paragraf 97 des Strafgesetzbuches besteht Straffreiheit, wenn der Eingriff in den ersten drei Monaten von einer ÄrztIn vorgenommen wird, nach "vorhergehender ärztlicher Beratung". Weitere Gründe für den straflosen Schwangerschaftsabbruch: eine zu befürchtende "ernste Gefahr" für das Leben von Mutter oder Kind; die Gefahr, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein würde; oder wenn die Schwangere zur Zeit der Zeugung unmündig war.

Freie Wahl der ÄrztIn

Niemand darf wegen der Durchführung eines straflosen Abbruchs bzw. der Mitwirkung daran bzw. der entsprechenden Weigerung "in welcher Art auch immer" benachteiligt werden. Und schließlich ist keine ÄrztIn verpflichtet, einen Abbruch durchzuführen oder an ihm mitzuwirken - es sei denn, es geht um unmittelbare Lebensgefahr für die Frau. Dieser Arzt-Passus hat in den ersten Jahren nach Bestehen des Gesetzes zu großen Problemen für die Frauen geführt. Gerade im ländlichen Bereich fanden sich kaum Abtreibungsmöglichkeiten, die Frauen waren nicht nur der gesellschaftlichen Kritik ausgesetzt, sie mussten auch tief in die Tasche greifen, um einen teuren Abbruch in einer anderen Stadt, einem anderen Bundesland durchführen zu lassen.

"Flankierende Maßnahmen"

Die erste Frauenministerin Österreichs, Johanna Dohnal (S), hatte die Fristenlösung als Erfolg der Frauenpolitik in der Ära Kreisky gesehen, obwohl dieser kein Verfechter der Fristenlösung gewesen ist. Seine persönliche Meinung tendierte gegen den Schwangerschaftsabbruch, am ehesten noch hätte er - ohne Gesetz - diese Frage den ÄrztInnen überlassen. Die Haltung in seiner Partei, der SPÖ, war aber vollkommen klar pro Fristenlösung. Der Kirche, naturgemäß stärkste Gegnerin, ist es nur gelungen, "flankierende Maßnahmen" durchzusetzen, also verstärkte Aufklärung über Empfängnisverhütung in den Schulen, erleichterte Adoptionsmöglichkeiten, höhere Geburtenbeihilfe.

Anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Fristenlösung forderte der steirische Diözesanrat und der Pastoralrat der Erzdiözese Wien die gesetzliche Verankerung und finanzielle Absicherung der "flankierenden Maßnahmen".

Beharrungsbeschluss

Ein Entschließungsantrag mit diesen Forderungen wurde am 29. November 1973 vom Nationalrat einstimmig beschlossen. Die Fristenregelung selbst wurde mit den 93 SPÖ-Stimmen gegen die 88 Nein-Stimmen von ÖVP und FPÖ an diesem Tag verabschiedet. Am 6. Dezember erhob die ÖVP im Bundesrat gegen die Fristenregelung Einspruch. Mittels Beharrungsbeschluss wurde das Gesetz schließlich am 21. Jänner 1974 vom Nationalrat - ebenfalls nur mit der absoluten SPÖ-Mehrheit - definitiv abgesegnet. Für die Kirche war das Thema fortan eine "offene Wunde in der Geschichte der Zweiten Republik", wie Kardinal Franz König damals formulierte.

Nach dem Gesetzesbeschluss ging die öffentliche Debatte mit Kundgebungen Pro und Contra weiter. BefürworterInnen verwiesen auf das Selbstbestimmungsrecht der Frauen, GegnerInnen sprachen von Mord. Im November 1975 erreichte ein Volksbegehren zum "Schutz des menschlichen Lebens", also gegen die Fristenlösung, nur 18 Prozent Zustimmung.

ÖVP-Meinung

Besonders die Nationalratswahlkämpfe 1986 und 1990 waren geprägt von einschlägigen Diskussionen. AbtreibungsgegnerInnen aus Kirchenkreisen und dem bürgerlichen Lager thematisierten die Fristenlösung immer wieder, etwa 1988, als in den Schulen der "Medienkoffer Sexualerziehung" eingeführt wurde; besonders aber 1990, als die Diskussion um die "Pille danach", die RU 486", einsetzte. Aus der SPÖ kam aber immer das klare Signal: Hände weg von der Fristenlösung. 1999 betonte schließlich auch die damalige ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat klar, dass es für die ÖVP kein Zurück zur Bestrafung gebe. Und 2000 bekräftigten die damaligen Klubchefs der beiden Regierungsparteien ÖVP und FPÖ, es stehe keine neue Diskussion zur Fristenlösung an - auch wenn Bundeskanzler Wolfgang Schüssel zuvor in einem Brief ab Abtreibungsgegner gemeint hatte, die ÖVP strebe eine gesetzliche Änderung an. "Unglücklich formuliert", meinte daraufhin Schüssel-Sprecherin Heidi Glück: es gebe "weder ein Bestreben in diese Richtung, noch eine absehbare Mehrheit im Parlament". (APA)