Bedingungen
Laut Paragraf 97 des Strafgesetzbuches besteht Straffreiheit, wenn der Eingriff in den ersten drei Monaten von einer ÄrztIn vorgenommen wird, nach "vorhergehender ärztlicher Beratung". Weitere Gründe für den straflosen Schwangerschaftsabbruch: eine zu befürchtende "ernste Gefahr" für das Leben von Mutter oder Kind; die Gefahr, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein würde; oder wenn die Schwangere zur Zeit der Zeugung unmündig war.
Freie Wahl der ÄrztIn
Niemand darf wegen der Durchführung eines straflosen Abbruchs bzw. der Mitwirkung daran bzw. der entsprechenden Weigerung "in welcher Art auch immer" benachteiligt werden. Und schließlich ist keine ÄrztIn verpflichtet, einen Abbruch durchzuführen oder an ihm mitzuwirken - es sei denn, es geht um unmittelbare Lebensgefahr für die Frau. Dieser Arzt-Passus hat in den ersten Jahren nach Bestehen des Gesetzes zu großen Problemen für die Frauen geführt. Gerade im ländlichen Bereich fanden sich kaum Abtreibungsmöglichkeiten, die Frauen waren nicht nur der gesellschaftlichen Kritik ausgesetzt, sie mussten auch tief in die Tasche greifen, um einen teuren Abbruch in einer anderen Stadt, einem anderen Bundesland durchführen zu lassen.
"Flankierende Maßnahmen"
Die erste Frauenministerin Österreichs, Johanna Dohnal (S), hatte die Fristenlösung als Erfolg der Frauenpolitik in der Ära Kreisky gesehen, obwohl dieser kein Verfechter der Fristenlösung gewesen ist. Seine persönliche Meinung tendierte gegen den Schwangerschaftsabbruch, am ehesten noch hätte er - ohne Gesetz - diese Frage den ÄrztInnen überlassen. Die Haltung in seiner Partei, der SPÖ, war aber vollkommen klar pro Fristenlösung. Der Kirche, naturgemäß stärkste Gegnerin, ist es nur gelungen, "flankierende Maßnahmen" durchzusetzen, also verstärkte Aufklärung über Empfängnisverhütung in den Schulen, erleichterte Adoptionsmöglichkeiten, höhere Geburtenbeihilfe.
Anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Fristenlösung forderte der steirische Diözesanrat und der Pastoralrat der Erzdiözese Wien die gesetzliche Verankerung und finanzielle Absicherung der "flankierenden Maßnahmen".
Beharrungsbeschluss
Ein Entschließungsantrag mit diesen Forderungen wurde am 29. November 1973 vom Nationalrat einstimmig beschlossen. Die Fristenregelung selbst wurde mit den 93 SPÖ-Stimmen gegen die 88 Nein-Stimmen von ÖVP und FPÖ an diesem Tag verabschiedet. Am 6. Dezember erhob die ÖVP im Bundesrat gegen die Fristenregelung Einspruch. Mittels Beharrungsbeschluss wurde das Gesetz schließlich am 21. Jänner 1974 vom Nationalrat - ebenfalls nur mit der absoluten SPÖ-Mehrheit - definitiv abgesegnet. Für die Kirche war das Thema fortan eine "offene Wunde in der Geschichte der Zweiten Republik", wie Kardinal Franz König damals formulierte.
Nach dem Gesetzesbeschluss ging die öffentliche Debatte mit Kundgebungen Pro und Contra weiter. BefürworterInnen verwiesen auf das Selbstbestimmungsrecht der Frauen, GegnerInnen sprachen von Mord. Im November 1975 erreichte ein Volksbegehren zum "Schutz des menschlichen Lebens", also gegen die Fristenlösung, nur 18 Prozent Zustimmung.
ÖVP-Meinung