Wien - Um ihre Beziehungsprobleme in den Griff zu kriegen, haben mehrere Frauen einen 41-jährigen Bosnier konsultiert, der seit einigen Jahren in Wien-Favoriten lebt. Der Mann bezeichnet sich als "Seher". "Ich habe das von meinem Vater gelernt", erklärte er am Montag im Wiener Straflandesgericht. Dort wurde er wegen Betrugs rechtskräftig zu sieben Monaten bedingter Haft verurteilt: Eine 28-Jährige hatte ihn angezeigt, nachdem er vorgeschlagen hatte, er müsse die auffallend hübsche Blondine von Mitternacht bis fünf Uhr in der Früh baden, um sie von einem bösen Fluch zu befreien.

Seine ganze Familie besitze hellseherische Fähigkeiten, machte der Beschuldigte geltend. Tatsächlich dürften ihm zahlreiche Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien glauben, denn seine Wohnung wird erwiesenermaßen häufig in spirituellen Fragen aufgesucht.

Glücksbringer und Amulette

Dort pflegt der 41-Jährige zunächst aus dem Koran vorzulesen. Außerdem stellt er Glücksbringer und Amulette her, die angeblich böse Flüche bannen sollen. Er befüllt auch Fläschchen mit Wasser, in die er Zettelchen mit Koran-Sprüchen steckt. Damit müssen sich seine Klienten dann waschen, weil das angeblich Glück bringen soll.

Unentgeltlich arbeitet der "Seher " allerdings nicht. Im Fall der 28-Jährigen kassierte er 3.000 Euro. "Alles, was er gesagt hat, hat zugetroffen", erzählte diese nun Richter Walter Stockhammer von den insgesamt elf Sitzungen. Der Mann habe ein Beschützermedaillon hergestellt, das sie mit einem roten Stoffband umwickeln und immer auf der linken Körperseite tragen musste. Sie erhielt auch Kerzen, die sie stets um Mitternacht anzuzünden hatte.

"Ich bin ja nicht dumm!"

Die Sache mit dem stundenlangen Baden, weil einer aus der Familie ihres Mannes sie angeblich mit einem bösen Fluch belegt hatte, kam ihr dann aber doch spanisch vor: "Ich bin ja nicht dumm!"

Ähnliches erlebte eine 26-Jährige, die den "Seher" aus Verzweiflung über das Ende ihrer langjährigen Beziehung besucht hatte. Ihr schärfte dieser ein, am Donnerstag ja nicht außer Haus zu gehen, weil sie sonst von einem Auto überfahren werde. Überhaupt werde sie in ihrem Leben wenig Glück haben, erfuhr die attraktive Mittzwanzigerin.

Um dieses doch zu bewältigen übergab ihr der Mann für 1.000 Euro ein Amulett und ein Fläschchen mit Orangenblüten-Wasser aus Persien, das sie zum Duschen verwenden sollte. Als die Frau das Etikett näher studierte, stellte sich allerdings heraus, dass das "Zauberwasser" am Naschmarkt gekauft worden war. (APA)