Casablanca - In Marokko haben am Sonntag mehrere hunderttausend Islamisten, darunter zahlreiche tief verschleierte Frauen, gegen Pläne der Regierung demonstriert, den Frauen mehr Rechte zu gewähren. Augenzeugen berichteten, tausende Busse und Lastwagen hätten die Demonstranten aus allen Landesteilen zu der Aktion nach Casablanca, der größten Stadt des Landes, gebracht. Parallel dazu demonstrierten 40.000 Frauen in der Hauptstadt Rabat für die Pläne der sozialistisch geführten Regierung. Die Polizei hatte in beiden Städten strenge Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Berichte über Zusammenstöße oder Festnahmen gab es nicht und beide Veranstaltungen wurden friedlich beendet. Der Plan der Regierung sieht das Ende der Vielehe vor sowie die Anhebung des für eine Eheschließung erforderlichen Alters von Frauen von 14 auf 18 Jahre. Zudem sollen Frauen künftig im Fall einer Scheidung oder des Todes des Ehegatten einen Anspruch auf die Hälfte von dessen Vermögen haben. Außerdem soll über das Recht, sich scheiden zu lassen, künftig ein Richter und nicht mehr der Ehemann entscheiden. "Gerechtigkeit und Wohltätigkeit" Moslemische Glaubensgelehrte haben den Plan heftig kritisiert und fürchten, dass Männer dadurch von der Eheschließung abgehalten, dass der Prostitution und Ausschweifungen allgemein Vorschub geleistet und dass das islamische Gesetz verletzt werde. Marokko sei ein islamisches Land und der Islam müsse in allen Fragen die absolute Orientierung bieten, erklärte die Sprecherin der größten moslemischen Gruppe des Landes, Nadia Jassine. Sie seien nach Casablanca gekommen, um gegen die Pläne der Regierung zu protestieren. Jassine ist die Tochter des Chefs der Gruppe, Scheich Abdessalam Jassine. Der steht seit fast einem Jahr wegen Kritik an der Monarchie unter Hausarrest. Die Gruppe, deren Name auf Deutsch "Gerechtigkeit und Wohltätigkeit" bedeutet, ist offiziell nicht anerkannt, ist jedoch an Universitäten und in ärmeren Vierteln aktiv. Die Organisatoren sprachen von einer Million Demonstranten in Casablanca, die Polizei von 500.000 und Auslandskorrespondenten schätzten die Menge auf 200.000. Zur Teilnahme gezwungen Die demonstrierenden Frauen in Rabat zeigten sich überrascht, dass sich in Casablanca Frauen gegen die Regierungspläne wendeten. Die Frauen dort seien von ihren Ehemännern und männlichen Verwandten zur Teilnahme gezwungen worden, erklärte eine der Organisatorinnen in Rabat. (Reuters)