Salzburg - Am Mittwoch wird das neue Zentrum für jüdische Kulturgeschichte der Uni Salzburg, untergebracht in der Salzburger Residenz, offiziell eröffnet. Im Mittelpunkt der Forschungen stünden die Erfahrung von Zugehörigkeit und Fremdheit, das Zusammenleben von Kulturen, Minderheiten und Mehrheiten, die Probleme der Migration und der kulturelle Austausch, erklärt Gerhard Bodendorfer, Leiter des Zentrums.

Um etwa zu ergründen, wie sich Identitäten von Minderheiten in Mehrheitsgesellschaften entwickeln konnten und können und welche Lehren daraus für die aktuelle Politik zu ziehen sind, soll kommendes Jahr das von der europäischen Kommission bereits positiv evaluierte Projekt "Diaspora - Das Judentum als Paradigma für ein zusammenwachsendes Europa" starten.

Für dieses Vorhaben wurde eines der größten universitären Forschungsnetzwerke gegründet. Dieses bestehe laut Bodendorfer derzeit neben Salzburg, unterstützt vom St. Pöltener Institut für Geschichte der Juden in Österreich, aus den Unis Antwerpen, Basel, Cambridge, München, Oxford, Paris, Warschau und Vilnius und werde durch die Universität Beer Sheva in Israel ergänzt. Ziel: "Einen wissenschaftlichen Beitrag zu einem gelungenen Zusammenleben von unterschiedlichen Kulturen in Europa zu leisten."

Dass dieses neue Zentrum in Salzburg beheimatet ist, hat historische Gründe: Salzburg war sehr früh wichtige Siedlungsstätte für Juden, die Untersuchungen zufolge erstmals mit römischen Soldaten dorthin kamen. Seit Bischof Arno (785-871) jedenfalls ist die Ansiedelung von Juden in Salzburg nachzuweisen. Dokumentiert sind auch ganz frühe Judenverfolgungen durch Katholiken: 1349 wurde die jüdische Gemeinde in Salzburg im Zuge der Pestpogrome zum ersten Mal vernichtet. 1404 wurde eine angebliche Hostienschändung zum Anlass für die zweite Verfolgung, bei der fast alle Juden der Städte Hallein und Salzburg verbrannt wurden.

1498 erließ Erzbischof Leonhard von Keutschach ein Ausweisungsedikt für alle noch in Salzburg siedelnden Juden, das erst 1867 aufgehoben wurde. Ab diesem Zeitpunkt hatten jüdische Bewohner großen Anteil am wissenschaftlichen und kulturellen Aufstieg der Stadt, waren entscheidend für die Gründung und den Erfolg der Salzburger Festspiele. Dann der Holocaust. Heute zählt die jüdische Gemeinde in Salzburg weniger als 100 Mitglieder. (fei/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16. 11. 2004)