Acht Stunden sind eine lange Zeit. Und sie in 60 Metern Höhe in einer festsitzenden Seilbahngondel verbringen zu müssen, vergönnt man niemandem. Die Frage ist allerdings, ob sie 50.000 Euro oder mehr wert ist - oder doch nur ein Skiwochenende in Sölden.

Das Geld fordert der deutsche Rechtsanwalt Michael Witti im Namen von Betroffenen nämlich bereits. Von wem, ist unklar, da noch immer nicht feststeht, wie es zu dem Unfall in Sölden überhaupt kommen konnte. Die Untersuchungen im Auftrag des Gerichtes haben gerade erst begonnen und könnten monatelang dauern. Und dabei werde man sich "von Hetzjustiz aus dem Ausland" nicht beeinflussen lassen, erklärt man bei der Innsbrucker Staatsanwaltschaft.

Ob aber eine strafrechtliche Verurteilung herauskommt, ist Witti egal. Der Anwalt, der schon die Hinterbliebenen der Katastrophe von Kaprun vertreten hat, pocht darauf, dass die psychischen und physischen Belastungen des Zwischenfalls von Sölden Schadenersatz rechtfertigen. Die Frage ist nur, ob man Kaprun, wo 155 Menschen starben, mit Sölden, wo nach Auskunft des Roten Kreuzes keine körperlichen Verletzungen aufgetreten sind, vergleichen kann.

Tatsächlich nähert man sich in Europa mittlerweile dem "American Way" der Schadenersatzklage an: Sobald auch nur eine theoretische Chance auf Geld besteht, wird flugs geklagt. Eines wird dabei allerdings nicht bedacht: Die Kosten trägt im Erfolgsfall die Allgemeinheit. Etwaige Entschädigungen werden garantiert über eine Erhöhung der Liftpreise oder Versicherungsprämien wieder hereingeholt. Es stimmt schon, Zeit ist Geld - aber ist es das auch wert, wenn um eines kleinen Vorteils willen danach zumindest indirekt alle zahlen müssen? (DER STANDARD; Printausgabe, 17.11.2004)