Wien - Einen Vorgeschmack auf den morgigen Beschluss der Pensionsharmonisierung hat am Mittwoch die Budgetdebatte zum Kapitel Soziales gebracht. SP-Sozialsprecherin Heidrun Silhavy empörte sich, dass die Regierung 24 Stunden vor Beginn der Beratungen noch immer nicht im Stande sei zu sagen, wie das Gesetz nun aussehe. Grünen-Sozialsprecher Karl Öllinger empfahl den Freiheitlichen, eine "Umfallversicherung" abzuschließen. Sozialminister Herbert Haupt (F) sprach hingegen von einem "vernünftigen Kompromiss".

Silhavy urteilte, es sei typisch für die Bundesregierung, dass sie nicht einmal die Auswirkungen auf die Betroffenen sehe. Allein dass man den Verlustdeckel bei der Harmonisierung von zehn auf fünf Prozent abgesenkt habe, sei ein Eingeständnis von Fehlern der Sozialpolitik. Dass man jetzt unmittelbar vor Beschluss des Allgemeinen Pensionsgesetzes noch immer nicht den endgültigen Text vorlegen könne, zeuge von einer "unseriösen Gesetzgebung". Der FPÖ richtete Silhavy aus: "Im Liegen tut das Umfallen offenbar nicht mehr weh."

Nicht durchgekommen

Auch Öllinger höhnte, dass die Freiheitlichen mit ihrer Ankündigung, die Verluste nicht höher als 15 Prozent werden zu lassen, nicht durchgekommen seien: "Wieder einmal haben sie sich nicht durchgesetzt." Dabei seien das ja keine Peanuts, wenn jemand nach 45 oder 46 Jahren Versicherung 20 Prozent Verluste durch das neue Pensionsgesetz einstecken müsse. Haupt solle sich um eine Unfallversicherung bemühen: "Das wäre die angemessene Vorsorge für sein Ressort." Denn die Politik des Sozialministeriums sei "schlichtweg eine Katastrophe."

Die Koalition sah dies naturgemäß anders. VP-Sozialsprecher Walter Tancsits rühmte, dass die Sozialquote auf einem hohen Niveau stabilisiert worden sei. Es sei nicht Aufgabe der Politik, "ein Museum der sozialen Einrichtungen zu gestalten", auch die Generationengerechtigkeit müsse erhalten bleiben, verteidigte der VP-Mann die gesetzten Reformen. Damit unterscheide sich die Regierung von "sozialistischer Politik", der es nur darum gehe, möglichst viel abzukassieren und die Leistungserbringer halbwegs bei Laune zu halten.

"Wird passieren"

Der freiheitliche Sozialsprecher Sigisbert Dolinschek betonte, in Sachen Pensionen sei es der FPÖ immer nur darum gegangen, die Verluste unter 15 Prozent zu drücken: "Das wird auch passieren. Alles andere, was hier behauptet wird, ist reine Demagogie". Weiteres zum Thema Harmonisierung wollte sich Dolinschek für die morgige Debatte aufheben. Dafür würdigte er, dass die Regierung eine Sozialpolitik für jene Leute machen, die sich selbst nicht helfen können. Auch erfreute sich Dolinschek - ebenso wie Tancsits - daran, dass es gelungen sei, erstmals seit 1996 wieder das Pflegegeld zu valorisieren.

Haupt nannte sein Budget "ein Gutes". In den wichtigsten Punkten gebe es bedeutende Zuwächse. Allein das zeige, dass die FPÖ nicht ständig umfalle, wie das die Opposition dauernd behaupte: "Wir haben uns durchaus gut durchgesetzt am Verhandlungstisch." Selbstverständlich könne man sich mehr und besseres vorstellen. Aber in Zeiten, wo etwa auch ein Schwerpunkt in Bildung und Forschung gesetzt werde, könne man nicht verlangen, dass das gesamte Geld in den Sozialbereich fließe - und 30 Prozent seien auch im internationalen Vergleich "eine beachtliche Zahl".

Auch in Sachen Pensionen zeigte sich der Minister nicht unzufrieden. Die Bürger würden die Leistungen des Parlaments goutieren, habe es doch erhebliche Verbesserungen wie die Absenkung des Verlustdeckels gegeben. Der Opposition warf er vor, "Gräuelmärchen" zu verbreiten, was die Verluste angehe. Dass die Freiheitlichen nicht alles geschafft hätten, was sie gerne gehabt hätten, gestand Haupt ein: "Niemand kann in dieser Republik erwarten, dass eine Zehn-Prozent-Partei am Verhandlungstisch 100 Prozent umsetzt."

Budget angenommen

Das Budgetkapitel Soziales ist Mittwoch Mittag vom Nationalrat mit den Stimmen der Koalitionsparteien angenommen worden. Einstimmig abgesegnet wurde ein Entschließungsantrag für die Anerkennung der Gebärdensprache. Für den Bereich Soziale Sicherheit wurden mit 1,89 Mrd. Euro gleich hohe Mittel vorgesehen wie heuer. Die Aufwendungen für den Bereich "Sozialversicherung" steigen von 6,68 auf 6,84 Mrd. Euro Euro, und das Familienbudget wächst von 5,25 auf 5,62 Mrd. Euro. Für Sozialminister Herbert Haupt (F) handelt es sich dabei um ein "gutes Budget". Man könne nicht erwarten, dass alles Geld in den Sozialbereich fließe, wenn auch Schwerpunkte etwa bei Bildung und Forschung gesetzt würden.

Begleitet wurde die Debatte zum Sozialkapitel von einem Gebärdendolmetscher. Kaum anwesend war hingegen Sozial-Staatssekretärin Ursula Haubner, die ziemlich zu Beginn abrauschte, um dem Vernehmen nach mit dem Bundeskanzler und der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst Schlussverhandlungen zur Pensionsharmonisierung führen musste.

Kurz vor Schluss kam die FP-Chefin dann doch wieder vorbei und würdigte vor allem die Anstrengungen der Koalition für die Familien: "Für mich gehören die Familien zu den Aufsteigern dieser Regierung." Als Erfolg betrachtet Haubner auch, dass es gelungen sei, die Talsohle bei der Geburtenrate zu überschreiten. In den letzten Monaten sei ein Plus von 2,6 Prozent zu verzeichnen gewesen, glaubt die Staatssekretärin, dass die Familienmaßnahmen der Koalition greifen.

Auffällig an der Debatte: Der VP-Arbeitnehmerbund nominierte keinen Spitzenrepräsentanten als Redner in der Sozial-Debatte. AAB-Chef Fritz Neugebauer war in seiner Zweit-Funktion als Chef der Beamtengewerkschaft noch am verhandeln und stimmte mangels Anwesenheit auch nicht mit. Generalsekretär Werner Amon wiederum war zwar anwesend, fand sich aber ebenfalls nicht auf der Rednerliste. Er gehört allerdings im Gegensatz zu Neugebauer auch nicht dem Sozialausschuss an.

(APA)