Fritz Neugebauer wird nicht umfallen. War in Wirklichkeit auch nicht zu erwarten gewesen. Der Chef der Beamtengewerkschaft hat alle Rituale durchgespielt und darf sich selbst in der Nationalratssitzung am Donnerstag auf die Schulter klopfen - etwa mit den Worten: "Na bitte, ich habe doch einiges zustande gebracht, habe der Pensionsreform eigenhändig die Giftzähne gezogen und auch noch einen erträglichen und budgetverträglichen Gehaltsabschluss ausverhandelt."

Er wird das nicht den 182 anderen Parlamentariern erzählen und auch nicht den Regierungsmitgliedern, die er in den letzten Tagen nach Kräften geärgert hat, sondern er wird quasi beim Fenster hinausreden: zu den Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die Anfang Dezember zu Personalvertretungswahlen aufgerufen sind - und denen Neugebauer den Abschluss von Gehalts- und Pensionsverhandlungen als Erfolg gewerkschaftlicher Stärke verkaufen muss.

Um diesen Erfolg zu inszenieren, mussten alle mitspielen, bis hin zum Bundeskanzler: Zum Gaudium der wahlberechtigten öffentlich Bediensteten kann darauf verwiesen werden, dass selbst der Bundeskanzler zur Nachtsitzung bemüht wurde - jener Wolfgang Schüssel, dessen Taktik es ist, Gesprächspartner spätnachts zu einer Unterschrift zu drängen. Aber nicht ihn, nicht Fritz Neugebauer. Der hat widerstanden, hat alle heimgeschickt und erst einen halben Tag später unterschrieben. Klasser Bursch!

Nicht ganz so klass aus der Sicht der Regierung, die nun hastig noch Geld im Budget finden muss, um rund 70 Millionen Euro mehr als vorgesehen für die Entlohnung der Staatsdiener auftreiben muss. (Für jene, die noch im "alten Geld" rechnen: Das wäre früher einmal als "Beamtenmilliarde" bezeichnet worden, weil es rund einer Milliarde Schilling entspricht). Und die nun in aller Eile zahlreiche Details des Pensionsgesetzes in Abänderungsanträge verpacken muss, um das Gesetzeswerk zum geplanten Termin beschließen zu können.

Immerhin ist auch das ein Erfolg - und die Reden, die Kanzler und Sozialminister, die Klubchefs und Sozialsprecher der Koalition am Donnerstag halten werden, werden die "Zukunftssicherheit", das "Augenmaß", die "soziale Ausgewogenheit" und die "konstruktiven Verhandlungen" in den Mittelpunkt stellen. Und sie werden beklagen, dass die Opposition "leider, leider" zu früh vom Verhandlungstisch aufgestanden wäre. Und sie werden auch damit irgendwie Recht haben.

Denn die Reform, die jetzt beschlossen wird, sieht entgegen allen Beteuerungen ganz anders aus als das, worüber sich Regierung und Opposition (sowie die Sozialpartner) im Vorfeld nicht einigen konnten. Aber gerade das wird auch der Opposition Munition liefern: So wie die Regierung das angegangen sei, könne es ja gar nicht gehen - bei allem selbstverständlich eingestanden Reformbedarf. Die Kritik wird "unsoziale" und "ungerechtfertigte" Kürzungen gegenüber dem geltenden Recht unterstreichen - wobei sich die Grünen voraussichtlich für höhere Beamtenpensionen, die Sozialdemokraten für höhere Kleinstpensionen stark machen dürften. Und auch die Opposition wird Recht haben - wer sich schon auf die Frühpension gefreut hat, wird den Argumenten sogar eine Menge abgewinnen können.

Mit besonderem Recht werden die Parlamentarier allerdings beklagen, wie diese Reform zustande kommt: Die Abänderungsanträge, die in letzter Minute eingebracht werden, die Verhandlungen jenseits der Ausschussarbeit, die letzten Abklärungen mit Interessengruppen - das alles macht es selbst fleißigen und gutwilligen Abgeordneten unmöglich zu lesen und zu verstehen, was da tatsächlich zur Abstimmung vorgelegt wird.

Beklagen werden sich darüber allerdings nur die Abgeordneten der Opposition. Die anderen werden wie schon zur Zeit der großen Koalition still hinnehmen, dass das Parlament nur zu debattieren und abzustimmen hat, was außerhalb ausgehandelt wurde. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.11.2004)