Foto: Schauspielhaus
"Chinoiserie", die Liebe zu fernöstlicher Kunst aus Kaisers Zeiten, schließt Regisseur Ong Keng Sen ab Freitag am Schauspielhaus mit einem gegenwärtigen Asia-Kult kurz. Die bildende Künstlerin Minako Nishiyama hilft ihm dabei.


Wien - Friede, Respekt, Reinheit und Ruhe sind die vier Grundpfeiler der japanischen Teezeremonie. Zur Förderung und Verbreitung dieser in hektischen Zeiten gewinnenden Kulturtechnik trägt auch Ikea bei. Das Möbelhaus mit dem ganz universellen Geschmack hat jetzt einen Asia-Room, und an seiner Gestaltung lehrt man uns augenfällig die harmonische Bewirtung: Zwischen seidig drapierten Bambuswänden steht - zum Niederknien - das Service in Geisha-Bunt.

Einen Asia-Boom, der uns heute mit rohem Fisch, chinesischer Medizin, asiatischen Kampfsportarten, dem Buddhismus oder am besten: mit Wong Kar-wai überkommt, gab es in anderer Form und Hochblüte bereits zu Maria Theresias Zeiten.

Die Imperatorin hat als kaufkräftige Liebhaberin asiatischer Kunst die zum Terminus technicus einer Kunstgattung gewordene Chinoiserie gewissermaßen mitbegründet. Meublage und Interieur ihrer kaiserlichen Gemächer waren asiatisch geprägt, ebenso Opern- und Ballettausstattungen aus der Zeit. Später, im Zuge der Weltausstellungen in London und Wien Mitte des 19. Jahrhunderts, nannte man das auch Japonismus. Gemeint ist beide Male die Liebe zu fernöstlicher Kunst, die große Mode an europäischen Fürstenhöfen wurde.

Eine Form der ebenfalls aus dem Rokoko datierenden Chinoiserie-Party wird nun dramaturgisches Gerüst einer Theaterproduktion am Wiener Schauspielhaus.

Basis Tschechow

Der in Singapur beheimatete chinesische Regisseur Ong Keng Sen, im Jahr 2003 am Schauspielhaus Artist in Residence, kleidet gemeinsam mit der japanischen Künstlerin Minako Nishiyama einen (auf Tschechows "Drei Schwestern" basierenden) Roman des einstigen japanischen Nobelpreisanwärters Junìchiro Tanizaki (1886-1965) in das Gewand eines solchen schicken Gelages. Ong Keng Sen: "Chinoiserie ist für mich eine Metapher für die europäisch-asiatischen Beziehungen. Mein Interesse war, ein ursprüngliches Element einer Kultur zu nehmen, und dieses dann im Kontext einer anderen zu reproduzieren, zu verändern und wiederzuerfinden, also zu einem neuen Hybrid zu machen. Auch die Produkte der Chinoiserie-Mode waren eigens für den Westmarkt gemachte asiatische Fantasien. Genauso machen wir das mit Tanizakis Die Schwestern Makioka. Wir kopieren nicht Japan, sondern spinnen eine (europäische) Fantasie über es."

Hinter diesen Fantasien, die den Asien-Export dominieren - Kalligrafie, Kimonos etc. - steckt aber die Realität einer knallharten Businesswelt. Wie passt das zusammen?: "Wir haben eben beides, Yin und Yang", so Minako Nishiyama. In ihr hat Ong Keng Sen die adäquate Exekutorin seiner hybriden Kunst gefunden.

"Die Japaner haben einen Teil ihrer Identität nach dem Zweiten Weltkrieg aufgegeben. Und meine Kunst befasst sich mit dieser dann westlich geprägten japanischen Kultur." Vier Pavillons - zwischen Boudoir und Opiumzelt - hat Nishiyama in den Bühnengrund des Schauspielhauses gestellt und romantisch ausgemalt (Bühnen- und Zuschauerraum sind ineinander aufgelöst); in ihnen werden die vier Schwestern jeweils vom Scheitern ihrer aristokratischen Existenz berichten. Intim und extravagant wie bei einer Teezeremonie werden die Gäste, selbst schuhlos und im Kimono (!) - so empfiehlt es die spirituelle Disziplin -, empfangen. Zwischen den monologischen Begegnungen mit den vier (europäischen) Schauspielerinnen flaniert man von Zelt zu Zelt, lauscht der DJ-Musik (japanisch), hört den Text am Audiohead nach oder ruht sich einfach aus. Ong Keng Sen: "Ein angenehmes Theater!" (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.11.2004)