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Ute Lemper

Foto: APA/EPA/Montserrat T. Diez
Wien - Gibt es jemanden, der Ute Lemper nicht kennt? Man weiß: Anfang der Sechziger, in Münster, der erste Schrei. Anfang der Achtziger, in Wien: das erste von circa 300 Miaus (Cats). In Paris bald, in London und auch am Broadway: große Töne singend, große Gefühle wringend. Anfänglich gepriesen, zwischenzeitlich verhöhnt und letztendlich wieder auferstanden aus der Zeitungsasche. Sie lebt übrigens mit ihren zwei Kindern in New York.

Nun gab Lemper, brav und berechenbar begleitet vom autopilotierten Orpheus Chamber Orchestra, Lieder von Weill, Eisler, Brel und anderen, darunter: sich. Und nahm sich hierbei welthistorisch heißer Eisen an: Sie erhob ihre Stimme im Bemühen um eine Annäherung im Nahost-Konflikt - sie interpretierte im Konzerthaus ein jüdisches Lied (auf Jiddisch) und ein arabisches (auf Arabisch) direkt nacheinander.

Auch rang sie, sang sie den kapitalen Schreckensbildern des geteilten Deutschland (Ghosts of Berlin) und der 9/11-Katastrophe (September Mourn) unerschrocken den Zins des melodramatischen Pathos ab. Zu Lempers Gesang nur so viel: Sie kann alles. Sie kann eine Wand niedersingen, sie kann binnen Sekunden einem Publikum einheizen wie Liza Minelli, sie kann zum vokalen Dauerintensivglüher à la Edith Piaf mutieren oder ein Lied im dreifachen Piano aushauchen.

Bewundernswert. Beklagenswert dabei ist aber, dass Lemper bei aller Professionalität und Vielfältigkeit das Wichtigste fehlt - das Unverwechselbare, das Ihre. Zum (fade präsentierten) Konzert Folgendes: Gebt dieser Frau eine richtige Bühne, Kostüme, Scheinwerferbatterien, eine Bigband! Es gebührt ihr wie dem Lipizzanerpferd die Winterreitschule, wie Michael Schumachers Ferrari das Autodrom von Monza. Die Eisler- und Weill-Nummern mit Lempers Bigger-than-life-Geschmettere: na ja. Deshalb: Lasset Musicals um Frau Lemper sein. Applaus, aus. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.11.2004)