Verena Krausneker: "Rassismus wird meistens sprachlich kommuniziert und transportiert. Sprache ist ein wesentlicher Bestandteil der Politik."

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Im neunten Teil der Serie Politik und Kommunikation spricht die ZARA-Mitbegründerin Verena Krausneker über die Bedeutung von Sprache in der Politik und Rassismus in der politischen Kommunikation. Die Beratungsstelle ZARA - die Abkürzung steht für Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit - wurde 1999 gegründet. Neben der Beratung von Opfern und ZeugInnen von Rassismus bietet ZARA Trainings, Workshops und Lehrgänge zum Thema Anti-Rassismus an und arbeitet mit unternehmen zusammen. Die Fragen gestellt hat Sonja Fercher.

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derStandard.at: Sie sind Vertreterin einer Antirassismus-Organisation, die in der Vorstellung auf der Homepage behauptet, "Rassismus ist Bestandteil des österreichischen Alltags". Auch in der politischen Kommunikation?

Verena Krausneker: Ja, natürlich stellen wir Rassismus auch in der politischen Kommunikation fest: Erstens bei Inhalten – da werden Behauptungen aufgestellt und Vorurteile verbreitet (Bsp. "XXX sind von Haus aus aggressiver", Bsp. "Überfremdung durch Zuwanderung"). Zweitens bei der Verwendung von konotierter, diskriminierender, beleidigender Sprache (Bsp. "Buschneger"). Und weiters bei Wortspielen, Metaphern, Verharmlosungen (Bsp. "Ausländerflut", Bsp. "PRogrom"-Sager, Bsp. Aufenthaltsberechtigung eines Mannes anzweifeln, weil er Adamovich heißt).

Rassismus wird meistens sprachlich kommuniziert und transportiert. Sprache ist ein wesentlicher Bestandteil der Politik.

derStandard.at: Sie arbeiten mit Betroffenen von Rassismus. Wenn wir nur von Rassismus in der politischen Auseinandersetzung sprechen: Gibt es Beispiele für Vorurteile, auf die Sie die Betroffenen immer wieder aufmerksam machen?

Verena Krausneker: Die scheinbar logische Verknüpfung der Themen Migration und Arbeitslosigkeit sowie AsylwerberInnen und Kriminalität, oder Afrikaner und Drogen, die in der österreichischen Politik gefahren wird, ist natürlich merkbar im Alltag. Zum Handkuss kommen völlig unbescholtene Menschen, die sich mit Vorurteilen und Agressionen und Benachteiligungen konfrontiert sehen.

derStandard.at: Gibt es einen/eine PolitikerIn, die mit dem Thema Rassismus besonders sensibel umgeht und sich dafür einsetzt, Rassismen in der Sprache zu bekämpfen? Wenn ja, wer ist das aus Ihrer Sicht und was macht diese Person, um gegen Rassismus anzukämpfen?

Verena Krausneker: Die beiden Abgeordneten Alev Korun und Terezija Stoisits: aufmerksam, informiert, aktiv, direkt, klar.

Und der neue Bundespräsident Fischer: kalmierend, ausgewogen, unaufgeregt, sachlich und erklärend.

derStandard.at: Spüren Sie es in Ihrer täglichen Arbeit, wenn Politiker wie Innenminister Strasser Aussagen treffen wie, dass es eine "neue Qualität der Aggression bei tschetschenischen Flüchtlingen" geben würde?

Verena Krausneker: Wir spüren eher selten einzelne Aussagen sondern mehr, wenn der politische Diskurs mit bestimmten Themen angereichert wird. Vorurteilsbehaftete oder aggressive Sprache wird in Variationen gespielt, verbreitet sich, dringt in die Alltagssprache ein. Und dann kommen die Übergriffe und "Alltagsrassismen" und alle wundern sich.

derStandard.at: Fall Cheibani Wague: Wie beurteilen Sie rückblickend den öffentlichen Umgang der Parteien mit diesem Fall? Gab es da Aussagen, über die Sie sich besonders geärgert haben?

Verena Krausneker: Bei diesem schrecklichen Ereignis waren zwei Dinge skandalös und verantwortungslos: Die Diffamierung und Vorverurteilung des toten Opfers und die völlig unbelegbare Vor-Inschutznahme der TäterInnen und Bystander. Da ist filmisch und inzwischen verwaltungsgerichtlich belegt, dass unkorrekt gehandelt wurde. Nichtsdestotrotz wurde sofort ins Blaue hinein behauptet, dass die involvierten BeamtInnen sicher richtig gehandelt haben. Richtig – mit letalen Folgen?

derStandard.at: ZARA definiert seine Tätigkeit mit den Worten "Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit". Unter politischer Kommunikation wird meistens die Kommunikation der Parteien untereinander verstanden. Wo können BürgerInnen auf die politische Kommunikation Einfluss üben, wenn sie gegen Rassismus ankämpfen wollen?

Verena Krausneker: Rassistische Sprache verbreitet sich schneller und weiter, wenn sie von Eliten, zB. PolitikerInnen, eingesetzt wird. Dafür gibt es aber mehr Menschen, die reagieren, "zur Ordnung" rufen und klarstellen können, dass das wieder einmal unerträglich war: per Telefon, email, LeserInbrief, Wahlverhalten usw.

derStandard.at: In Österreich scheint es einen Konsens in der Migrationspolitik zu geben, der "Integration vor Einwanderung" lautet. Versucht die Politik, auch in Ihrer Sprache das Verständnis zwischen In- und AusländerInnen zu fördern? Wenn nicht, können Sie Beispiele nennen?

Verena Krausneker: Verständnisfördernd wäre es, wenn endlich aufgehört würde, Unterschiede zwischen Menschen als unüberbrückbar, als per se problematisch und negativ zu bewerten. Fragwürdig finde ich zum Beispiel die oftmals nicht notwendige Unterscheidung in "gebürtige und nicht-gebürtige" ÖsterreicherInnen.

derStandard.at: Welche Möglichkeiten nutzt ZARA, um Einfluss auf die politische Kommunikationskultur zu nehmen?

Verena Krausneker: Ich denke, dass unser jährlicher Rassismus Report langsam was zu ändern beginnt: Wenn die Fakten belegt sind, kann Rassismus weniger leicht geleugnet werden. Wir können außerdem kommentieren, zur Ordnung rufen und erklären. Aktiv wird ZARA meist mit Mandat, das heißt, wenn sich jemand mit einer konkreten Aussage und Beschwerde an uns wendet. Bring’em on!

derStandard.at: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold: Was halten Sie von diesem Sprichwort?

Verena Krausneker: Schweigen wird generell als Zustimmung gedeutet. Deshalb: bei Rassismus lieber den Mund aufmachen!