Washington – Paläontologen berichten erneut über einen sensationellen Fund. Nachdem erst vor zwei Wochen mit dem Homo floresiensis die Entdeckung einer vermeintlich neuen Hominidenart verkündet wurde – DER STANDARD berichtete – könnten Wissenschafter nun vielleicht sogar den gemeinsamen Urahn von Mensch und Menschenaffe gefunden haben: In Spanien wurde das 13 Millionen Jahre alte Fossil eines Lebewesens gefunden, das dem Menschen im Knochenbau mehr ähnelt als alle heutigen Primaten.

Das fündig gewordene Paläontologenpaar Salvador Moya-Sola und Meike Köhler wollte sich laut US-Wissenschaftsmagazin Science jedoch nicht darauf festlegen, dass es sich bei den Überresten tatsächlich um jene des bisher unentdeckten Verbindungsgliedes zwischen Menschen und Affen handelt.

Das Skelett wurde in der Nähe von Barcelona ausgegraben. Bisher wurden 83 Knochenteile zusammengefügt, die auf einen erwachsenen männlichen Affen hindeuten. Dem Knochenbau zufolge sei dieser ein flinker und geschickter Kletterer gewesen, dessen Gang jedoch weitaus aufrechter gewesen sei als der eines Schimpansen – dies verrate die Struktur des Brustkorbs und der Schulterblätter.

Theorie über menschlichen Ursprung auf Prüfstand

Sollte der Pierolapithecus catalaunicus, wie die neue Gattung getauft wurde, tatsächlich ein direkter Vorfahre des Menschen sein, könnte die Theorie ins Wanken kommen, wonach die Menschheit ihren Ursprung in Afrika nahm: Aus dem Homo erectus hat sich in Ostafrika vor gut 100.000 Jahren der Homo sapiens entwickelt, der von dort aus die Welt erobert hat. Zuerst Südasien und Europa, dann Ostasien und Ozeanien, vor gut 15.000 Jahren Amerika, vor rund 6000 Jahren die Pazifischen Inseln.

Um einem verfrühten Streit über diese Theorie zu entgehen, merkte Moya-Sola an, dass die neue Gattung vermutlich in Europa und in Afrika zu Hause gewesen sei. Für eine endgültige These seien noch viel zu wenige Fossilien gefunden worden. Köhler ergänzte, der Begriff Missing Link sei schon viel zu oft überstrapaziert worden. Es handle es sich bei ihrem Fund mit größter Wahrscheinlichkeit um einen sehr engen Verwandten des Menschen und des Affen. Was nicht heiße, dass er der einzige gemeinsame Vorfahr gewesen sei.

Auch Primatenforscherin Doris Nagel vom Institut für Paläontologie der Uni Wien warnt vor voreiligen Schlüssen hinsichtlich des vermeintlichen Missing Link. Dennoch sei der Fund höchst interessant, da die Knochen aus einer Zeit stammten, in der sich Primaten in Europa gerade erst breit gemacht hätten. (AP, fei/DER STANDARD, Printausgabe, 19.11.2004)