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Stuttgart - Äußerliche Gelassenheit bei Stress deutet häufig auf eine starke innerliche Anspannung hin. Dies ist eine äußerst ungünstige Stressverarbeitung, die langfristig die Gesundheit gefährdet, wie eine in der "Deutschen Medizinischen Wochenschrift" veröffentlichte Studie ergab. Bei einem vorgeschädigten Herzen könne die vermeintlich coole Haltung sogar eine tödliche Rhythmusstörung auslösen.

Der Diplom-Psychologe Tobias Klein von der Universität Homburg/Saar hatte Patienten untersucht, denen wegen einer schweren Herzerkrankung ein Kardioverter-Defibrillator (ICD) eingepflanzt worden war. Der Apparat kann die bedrohlichen Rhythmusstörungen selbstständig erkennen und mit einem Stromstoß beenden. Wie häufig dies geschieht, ist vor allem von der organischen Grunderkrankung abhängig. Aber auch die Art, wie die Patienten auf Psychostress reagieren, kann der Studie zufolge eine Rolle spielen.

Unlösbare Aufgaben

Der Wissenschafter stellte den Patienten Kopfrechenaufgaben, die so schwierig waren, dass 40 Prozent nicht gelöst werden konnten. Der Ärger darüber führte zu unterschiedlichen Stress-Reaktionen. Bei einigen der Testpersonen begann das Herz schneller zu schlagen, andere waren muskulär verspannt und depressiv, und wieder andere offenbarten ein erhöhtes Kontrollbedürfnis.

Alle drei Reaktionstypen schadeten dem Bericht zufolge dem Herzen aber nicht. Die Patienten hatten während der etwa dreißig Monate, die sie einen ICD trugen, keine erhöhte Entladungsfrequenz. Anders verhielt es sich dagegen bei den Patienten, die den Prüfungsstress am gelassensten wegsteckten. Während des Tests hatte sich bei ihnen die Atmung verlangsamt, und die Muskeln hatten sich entspannt.

"Totstellreflex"

Doch diese Stressverarbeitung, die Klein als "Totstellreflex" bezeichnet, war die gefährlichste, da es bei ihr zu einer vermehrten Ausschüttung des Stresshormons Kortisol aus der Nebenniere kam. Das Hormon erhöhe die Anfälligkeit des Herzens für Rhythmusstörungen, berichtet der Experte. Dies erkläre, warum es bei Patienten mit "Totstellreflex" auf lange Sicht am häufigsten zu Entladungen des ICDs gekommen sei. (APA)