Ein in der deutschen Justizgeschichte beispielloser Prozess beginnt am kommenden Dienstag vor dem Frankfurter Landgericht: 15.000 Aktionäre der Deutschen Telekom klagen gegen Deutschlands größten Telekommunikationskonzern. Sie beschuldigen dass Unternehmen, im Börsenprospekt zum Verkauf der dritten Tranche von T-Aktien im Jahr 2000 falsche Angaben zum Wert ihres Immobilienbesitzes gemacht zu haben, und fordern ihr Geld zurück. Damals war die T-Aktie für 66,50 Euro verkauft worden, kurz darauf aber drastisch eingebrochen. Heute ist sie nur noch knapp ein Viertel dieser Summe wert.

Einziartig

Schon in seiner Größenordnung ist das Verfahren bisher einzigartig in Deutschland. Insgesamt 1.700 Klageschriften von insgesamt 15.000 Anlegern gingen beim Gericht ein und brachten die Justiz an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Denn ein einziger Richter, Meinrad Wösthoff, ist für das Mammutverfahren zuständig.

Die Höhe der Schadensersatzansprüche bezifferte das Gericht mit insgesamt rund 100 Mio. Euro. Doch das sei nicht das eigentliche Problem. Das Problem sei die schiere Masse der Klagen. Das Aktenvolumen entspreche ziemlich genau dem Pensum einer Kammer für 10 Jahre, berichtete das Landgericht.

Und die Zahl der Verfahren könnte sich noch verdoppeln. Denn weitere 17.000 T-Aktionäre haben ihre Ansprüche zunächst bei der öffentlichen Rechtsauskunfts- und Vergleichsstelle Hamburg angemeldet und könnten nach dem - absehbaren - Scheitern des Güteverfahrens ebenfalls ihre Klage in Frankfurt einreichen.

Piloten

Um überhaupt der Klageflut Herr werden zu können, sollen vor der 7. Kammer für Handelssachen ab Dienstag zunächst zehn Pilotverfahren verhandelt werden, die mustergültig alle wesentlichen Aspekte der Klagen bündeln. Im Mittelpunkt steht dabei der Vorwurf, die Deutsche Telekom habe in ihrem Börsenprospekt einen überhöhten Wert für ihren Immobilienbesitz angegeben.

Die Telekom hatte damals den Wert ihres Immobilienbesitzes mit 17,2 Mrd. Euro angeben. Doch schon 2001 hatte sie den Wert der Grundstücke und Gebäude um insgesamt 2,9 Mrd. Euro nach unten korrigieren und entsprechende außerplanmäßige Abschreibungen vornehmen müssen.

Die Deutsche Telekom weist den Vorwurf des Prospektbetruges allerdings entschieden zurück. Vorstandschef Kai-Uwe Ricke betonte nach Eingang der ersten Klagen im vergangenen Jahr, er sei davon überzeugt, dass beim dritten Börsengang alles mit rechten Dingen zugegangen sei und die Klagen deshalb abgewiesen würden. Einen Vergleich lehnte er kategorisch ab.

So muss wohl die Justiz entscheiden - und das kann dauern. Frühestens im ersten Quartal 2005 sei mit einer Entscheidung des Landgerichts zu rechnen, hieß es in Frankfurt. Die absehbare Berufung beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main werde erfahrungsgemäß weitere zwei bis drei Jahre dauern. Die Revision zum Bundesgerichtshof könne noch einmal mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

Doch ist das noch die geringste Unwägbarkeit des Verfahrens. Denn der Prozess könnte für die Kläger auch noch exorbitant teuer werden: Falls das Gericht in der mündlichen Verhandlung zum Ergebnis kommt, dass ein Sachverständigen-Gutachten zur Überprüfung der Grundstücksbewertung nötig ist. Nach Schätzungen der Justiz würde ein solches Gutachten für die rund 11.000 Telekom-Grundstücke etwa 17 Mio. Euro kosten - die wohl von den Klägern aufzubringen wären. Allein das Erstellen des Gutachtens dürfte Jahre dauern. Der dann zu erwartende Streit über die Richtigkeit mit Stellungnahmen und Ergänzungsgutachten würde einige weitere Jahre in Anspruch nehmen.

Hoffnung

Doch hoffen die Aktionäre noch, dass die Ermittlungen der Bonner Staatsanwaltschaft gegen die Telekom wegen des Verdachts der Falschbilanzierung Beweise für ein Fehlverhalten der Telekom liefern und das Gutachten überflüssig machen. Die Ermittlungen laufen seit dreieinhalb Jahren, ohne aber bisher zu einer Anklageerhebung geführt zu haben.

Aktionärsschützer hatten sich angesichts der großen Unsicherheiten bereits im vergangenen Jahr skeptisch über die Aussichten einer Klage geäußert. Doch ab dem kommenden Dienstag heißt es in Frankfurt: 15.000 gegen die Telekom. (APA/AP)