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Joachim Lottmann:
Die Jugend von heute, € 9,20/320 Seiten.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2004.
Wenn hier jemand stocknüchtern aus der tiefsten deutschen Provinz namens Köln heraus wahlweise einem kleinbürgerlichen Glück oder auch nur einer faulen biografischen Notwendigkeit geschuldet Romane schreibt, die um das große, süße Nichts der Jugend kreisen, um Kirtag und Narkose in den heißesten Nightclubs der Städte München, Berlin und auch Wien, dann ist grundsätzlich Feuer am Dach. Und das Unterzündeln von gelassen erzählten Wahrheiten mit ungleich leichter brennbaren Verdrehungen derselben gilt auch als das so genannte Prinzip Lottmann. Im Sinne eines Ausspruchs des US-Regisseurs John Ford gilt: "Wenn das Faktum zur Legende wird, nimm' die Legende!"
Man kann sich von dieser Arbeitsmethode abseits seiner nun vorliegenden drei Romane Mai, Juni, Juli und Deutsche Einheit und Die Jugend von heute auch jederzeit querlesend durch das deutsche Feuilleton davon überzeugen, wie Lottmann auf Abfrage prinzipiell nassforsch auf Pop und modern gedeichselte Artikel über das Klagenfurter Wettlesen im Zeichen der Autorin "Liselotte Bachmann" oder Vernichtungen seiner Alterskollegen Einstürzende Neubauten schreibt. Er vermischt Banalitäten mit eiliger Lektüre von Nietzsche. Er verdrischt junge, zugedröhnte Menschen wegen ihrer Blödheit, nicht mehr ordentlich miteinander "bohnern" zu wollen. Und er kratzt die Kurve zu Beleidigungen der Alt-68er und speziell Rainer Langhans, in dessen Münchner Harem Lottmann dann doch wieder tatsächlich biografisch ein- und ausging. Im Zweifelsfall allerdings wird immer Wahrheit mit Absicht und Ambition mit Realität abgemurkst.
Noch ältere Männer als Lottmann selbst sind in ihrer Rezensententätigkeit für die Süddeutsche Zeitung oder die F.A.Z. davon ausnahmslos begeistert. Immerhin muss man nicht selbst endlos blöde in mit Stumpf-Techno oder HipHop akustisch zugemüllten Hütten abhängen, um einer über stellvertretende Feldforschung beobachteten Jugend "authentisch" über die Schulter zuzusehen, in welche Körperöffnungen denn nun aktuell die chemischen Substanzen reinkommen, die einen dünn machen.