Das Projekt der Wiener Biogasanlage wurde gerade noch einmal hingebogen: Aus Bioabfall soll künftig Biogas – und doch auch Kompost gewonnen werden.

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Wien – Und wieder wurde ein Irrläufer der früheren Wiener Umweltstadträtin Isabella Kossina (SP) gerade noch abgefangen. Die Errichtung der Wiener Biogasanlage stand als rot-grünes Projekt bereits an der Kippe. Denn Kossinas Plan war es, aus Bio-Abfällen erst aufwändig das Biogas zu gewinnen und die Gärreste dann – zu verbrennen. Womit sich die Frage stellte, warum man das Zeug nicht gleich im Ofen verfeuert und die Fernwärme nützt. Die Grünen liefen – hinter den Kulissen – Sturm.

"Bedenklicher" Plan

Der ursprüngliche Plan "wäre ökologisch zumindest bedenklich gewesen", betonte daher die nunmehrige Umweltstadträtin Ulli Sima (SP) am Freitag und präsentierte gemeinsam mit dem Grünen Energiesprecher Christoph Chorherr das neue, überarbeitete Konzept. Künftig soll aus einem Teil des Bioabfalls erst das Biogas gewonnen werden. Aus dem Rest – rund 40 Prozent des Ausgangsmaterials – wird dann Kompost gemacht. Für Sima ist dies nun ein "wirtschaftlich wie ökologisch vertretbares Projekt". Aus der restlichen Grünen Tonne – vor allem aus dem Grasschnitt der Außenbezirke – wird wie bisher auf direktem Weg Kompost erzeugt.

Aus Salat wird ein Gas- und Erdölersatz

Jetzt schließe sich der Kreis, so Chorherr, die Biogasanlage solle vorführen, "dass in jedem Mistkübel ein kleiner Bohrturm steckt". Zum Einen werde "quasi aus dem Salatblatt ein Gas- und Erdölersatz" gewonnen. Gleichzeitig aber ersetzte der Kompost "Düngemittel, die ebenfalls aus Erdgas hergestellt werden".

Baubeginn 2006

Anfang 2006 soll mit dem Bau der Biogasanlage gleich neben der geplanten Müllverbrennungsanlage Pfaffenau in Simmering begonnen werden. Die erste Ausbaustufe ist auf 17.000 Jahrestonnen ausgelegt. Rund 10.000 Tonnen sollen aus der Biotonne kommen. Die restlichen 7000 Tonnen sollen Speisereste aus Großküchen sein, die derzeit als "Sautrank" an Landwirtschaftsbetriebe gehen.

Diese zweite Sammelschiene wird künftig interessanter werden: Ab November 2006 ist die Verfütterung von Sautrank an Schweine verboten.

Die erste Ausbaustufe soll 2007 in Probebetrieb gehen – nach Fertigstellung der zweiten sollen dann pro Jahr insgesamt rund 34.000 Tonnen in der Biogasanlage verarbeitet werden. Die Errichtungskosten für die Gesamtanlage: Rund 13,3 Millionen Euro.

Bei Vollbetrieb der ersten Ausbaustufe soll die Anlage jährlich 3,5 Gigawattstunden Strom und 4,8 Gigawattstunden Wärme erzeugen. Im Vergleich zu konventioneller Energieerzeugung ergibt dies eine Einsparung von 3000 Tonnen CO pro Jahr.

Aus dem Biogas könnte aber auch ausschließlich Wärme erzeugt werden – diese Entscheidung fällt erst am Ende des Ausschreibung; "die Art der Einspeisung wird entschieden, wenn man anhand der dann gültigen Förderungsrichtlinien weiß, wo der bessere Preis erzielt wird", erläuterte Helmut Kadrnoska, Geschäftsführer der Wiener Kommunal-Umweltschutzprojektgesellschaft, die die Anlage plant.

Biomasse-Kraftwerk

Ein weiteres rot-grünes Kraftwerk soll bereits Mitte 2006 in Betrieb gehen: Das Biomasse-Großkraftwerk soll 40 bis 45 Millionen Euro kosten. Dieses Kraftwerk wird ebenfalls in Simmering errichtet und dann mit Holzresten befeuert. Es wird auf eine Wärmeleistung von 62,5 Megawatt ausgerichtet; die Biomasse kommt von den Bundesforsten und soll per Bahn angeliefert werden. Täglich bis zu 30 Waggonladungen. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD Printausgabe 20/21.11.2004)