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Vorsitzender Edmund Stoiber beim 69. Parteitag der CSU in München.

Foto: APA/EPA/Oliver Weiken
Frankfurt/Main - Die CSU und führende CDU-Politiker sehen die Idee einer multikulturellen Gesellschaft als gescheitert an und verlangen von in Deutschland lebenden Muslimen, sich anzupassen. Die in Deutschland lebenden Ausländer müssten "unsere Rechts- und Werteordnung und unsere Leitkultur vollständig akzeptieren", heißt es in einem am Samstag vom CSU-Parteitag verabschiedeten Antrag. CDU-Chefin Angela Merkel sagte, die Idee der multikulturellen Gesellschaft sei "dramatisch gescheitert".

Integration noch nicht gelungen

Die Integration vieler Einwanderer sei noch nicht gelungen, so dass sich Parallelgesellschaften gebildet haben, beklagte Merkel im "Focus" nach einer Vorabmeldung vom Samstag. Wer hier lebe, müsse "ohne Wenn und Aber auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und unsere christlich-abendländischen Wurzeln tolerieren".

Der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sagte dem "Spiegel" nach einer Vorabmeldung: "Wer zu uns kommt, muss die deutsche Leitkultur übernehmen." Die Deutschen hätten nicht nur eine gemeinsame Sprache, sondern auch kulturelle Umgangsformen und Gesetze. "Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Basis der Gemeinsamkeit von Ausländern zerstört wird." Heute habe ein Teil der hier lebenden Ausländer selbst Gettos gegründet, "weil sie uns Deutsche verachten", meinte er.

Widerspruch kam vom CDU-Präsidiummitglied Wolfgang Schäuble. "Ich möchte keine Debatte über den missverständlichen Begriff Leitkultur führen", sagte er der "Bild am Sonntag". Sonst streite man bald wie vor ein paar Jahren nur noch über Begriffe und nicht mehr in der Sache.

Die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth betonte, in Deutschland gebe es bereits eine multikulturelle, multireligiöse Gesellschaft. "Das ist doch keine Ideologie, kein grüner Spinnkram, sondern die Realität", sagte sie dem "Focus".

Respekt vor dem Grundgesetz

Die Migrations- und Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, sagte: "Respekt vor dem Grundgesetz und der Rechtsordnung verlangen wir zu Recht." Die Grünen-Politikerin appellierte an Muslime, selbst aktiv zu werden: "Sie müssen die Verantwortung übernehmen, dass in Moscheevereinen der Imam nicht ungestört volksverhetzende Reden halten kann." Zu den Pflichten der Einwanderer gehöre auch, deutsch zu lernen.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, verlangte im "Focus", die "Kuscheldiskussionen" müssten aufhören: "Wir müssen die Hand reichen und mit der nötigen Selbstsicherheit sagen, nach welchen Regeln wir leben wollen in Deutschland."

FDP-Chef Guido Westerwelle schlug in der "Welt" einen Runden Tisch vor: "Ein prominent besetzter Runder Tisch der Religionen und der Politik, ein Bündnis für Toleranz, könnte helfen, Spannungen wie in Holland zu vermeiden".

Verunsicherung der Muslime in Deutschland steigt

Der Generalsekretär der islamistischen Organisation Milli Görüs (IGMG), Oguz Ücüncü, sagte der "Welt", die Verunsicherung unter Muslimen steige in Deutschland. Doch sollten auch die Muslime Selbstkritik üben. "Imame ohne Sozialisation in Deutschland tragen nicht zur Integration bei. Das müssen wir abstellen."

Zur Förderung der Integration von Muslimen rief der niedersächsische SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel dazu auf, gezielt mehr ausländische Mitbürger für Ehrenämter, kommunale Wahlmandate und Posten im öffentlichen Dienst zu gewinnen.

Einstimmig gegen EU-Mitgliedschaft der Türkei

Der CSU-Parteitag hat sich am Samstag einstimmig gegen einen EU-Beitritt der Türkei ausgesprochen. In der Debatte zuvor sagte Bayerns Europaminister Eberhard Sinner, ein Beitritt würde Europa überfordern. Zudem würde Deutschland finanziell stark belastet. Nach Schätzungen der CSU müsste Deutschland als größter EU-Nettozahler jedes Jahr zusätzlich sechs Milliarden Euro an Brüssel überweisen. "Europa ist nicht reif, und die Türkei ist nicht reif", sagte Sinner. (APA/AP/Red)