Berlin – Die führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20) wollen mit einem neuen Wachstumsprogramm und solideren Staatsfinanzen die Weltwirtschaft stabiler machen. Zur Vermeidung abrupter Währungsturbulenzen versprachen die USA eine deutliche Verringerung ihres Haushaltsdefizits. Europa sowie Japan wollen Strukturreformen vorantreiben und die asiatischen Länder für eine größere Wechselkursflexibilität sorgen. Das vereinbarten die Finanzminister und Notenbankchefs der G-20 am Sonntag zum Abschluss ihrer dreitägigen Jahrestagung in Berlin.

Keine Erklärung zum Dollarverfall

Eine gemeinsame Erklärung zum derzeitigen Dollarverfall wurde nicht verabschiedet. Das hohe Doppeldefizit der USA – neben dem Haushalt auch in der Leistungsbilanz – wurde bei den Gesprächen der G-20-Minister jedoch neben den Ölpreisen als ein Risiko für die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft bezeichnet.

US-Finanzminister John Snow sicherte auf dem Treffen zu, das US-Haushaltsdefizit mittelfristig zu halbieren. Unterdessen hat sich US-Präsident George W.Bush für einen starken Dollar ausgesprochen. Sein Land sei an einem starken Dollar interessiert, sagte Bush am Samstag am Rande des APEC- Gipfels in Santiago de Chile.

Dauerhaftes Wachstum

Die G-20 verständigten sich auf eine Reformagenda für dauerhaftes Wachstum. Zugleich verpflichteten sie sich, internationale Standards der OECD gegen unfairen Steuerwettlauf einzuhalten. Mit Ausnahme Argentiniens vereinbarte die G-20 einen freiwilligen Verhaltenskodex für faire Umschuldungen bei Zahlungskrisen. Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sollen stärker bekämpft werden.

"Die G-20 hat sich bewährt", sagte der deutsche Finanzminister Hans Eichel (SPD), der den G-20-Vorsitz hatte. Die Gruppe wolle gemeinsam einen globalen Rahmen für mehr Stabilität und nachhaltiges Wachstum schaffen. "Die Weltwirtschaft befindet sich auf robustem Wachstumspfad, der Aufschwung gewinnt an Breite." Die Finanzmärkte seien durchweg in guter Verfassung. 2005 werde der Aufschwung aber etwas schwächer. Größtes Risiko seien die Ölpreise.

"Eruptive Veränderungen" vermeiden

In der G-20-Erklärung heißt es: "Wir unterstrichen die Bedeutung mittelfristiger Haushaltskonsolidierung in den Vereinigten Staaten, anhaltender Strukturreformen zur Wachstumsbeschleunigung in Europa sowie Maßnahmen für größere Wechselkursflexibilität in den asiatischen Schwellenländern." Nach den Worten Eichels sind hohe Wechselkursausschläge schädlich für das Wachstum. "Eruptive Veränderungen" durch die Ungleichgewichte müssten vermieden werden.

Snow sagte, der US-Regierung sei es "todernst" mit der Haushaltssanierung. Dies habe er auch dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gesagt, der die USA wegen der hohen Defizite im Haushalt und in der Leistungsbilanz kritisiert hatte. "Diese Regierung ist einem fiskalisch verantwortlichen Verhalten absolut verpflichtet."

Kritik von Deutschland

Schröder hatte zuvor mit deutlichen Worten das Doppeldefizit als "eindeutige" Ursache der Dollarschwäche kritisiert und von einer "Besorgnis erregenden" Entwicklung des Dollar gegenüber dem Euro gesprochen. "Man kann schlecht die Europäer zu Strukturreformen auffordern und dann die eigenen ökonomischen Notwendigkeiten nicht so hervorheben, wie das aus unserer Sicht nötig wäre."

Alle G-20-Länder wollen künftig Standards der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beim Austausch von Steuerinformationen einhalten. Die G-20 begrüßten, dass in Kürze China dem Anti-Geldwäsche-und Terrorfinanzierungsgremium FATF beitreten werde. "Indien sollte rasch folgen", sagte Eichel.

Der 1999 gegründeten G-20 gehören neben den sieben führenden Industriestaaten (G7) und der EU auch Argentinien, Australien, Brasilien, China, Indien, Indonesien, Korea, Mexiko, Russland, Türkei, Saudiarabien und Südafrika an. Im nächsten Jahr hat China den G-20-Vorsitz, 2006 Australien. (APA)