Wahrscheinlich wird der einzige Gottesbezug in der neuen Verfassung - so es irgendwann eine geben sollte - das Flehen der Betbrüder um Andreas Khol sein, der Allmächtige möge der widerborstigen Opposition doch die Gnade der Einsicht zuteil werden lassen. Dass dies noch vor Weihnachten der Fall sein könnte, glaubt selbst Khol nicht mehr, und umso fester versucht er nun, das eigene Versagen einer höheren Macht in die Schuhe zu schieben: An einen Abschluss der Konventsberatungen noch heuer sei ohnehin nie gedacht gewesen, sondern bloß an die Abfassung einer ungefähren Verfassung, deren Endfassung das Parlament ausfeilen soll.Khols Wunsch, die SPÖ möge angesichts des geschichtsträchtigen Werkes das "Tagespolitische" hintanstellen, ist mindestens so fromm wie die Beteuerung seines Klubchefs Wilhelm Molterer aufrichtig, die ÖVP werde sich auf keinen "Kuhhandel" einlassen. Will sie eine konsensual beschlossene Verfassung, wird sie das aber müssen: Denn warum sollte die SPÖ ihre Ablehnung der Demontage von Arbeiterkammer, Hauptverband und Hochschülerschaft nicht mit einer Zustimmung verknüpfen und darauf pochen, dass diese Art des Ausholzens nach parteipolitischem Gusto künftig verfassungsmäßig verhindert wird? Khol ehrt ja sein Glaube an den großen Wurf, von dem er - und er wird, so kurz vor Weihnachten, doch nicht heucheln - überzeugt ist, nur: Wie groß kann der sein, wenn nicht einmal der Grundrechtskatalog außer Streit steht? Und wenn, um ein aktuelles tagespolitisches Beispiel zu bringen, die Kompetenzen wie bisher so verteilt bleiben, dass ein renitenter Landeshauptmann seinen Vertrag mit dem Bund entweder einhalten kann oder, wenn ihm lustig ist, eben auch nicht - ohne irgendwelche Konsequenzen fürchten zu müssen? (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 22.11.2004)