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Archivbild des Nobelpreisträgers Konrad Lorenz

Foto: APA/dpa
Dass sich nun ausgerechnet ein paar stramme Burschenschaftler in Wien bemüßigt fühlen, Konrad Lorenz und andere verdienstvolle Österreicher gegen Nazi-Vorwürfe in Schutz zu nehmen, sagt weniger über Lorenz aus, sondern zeigt vor allem, wes Geistes Kind die noch immer sind. Eine solch schneidige unter Schutz-Stellung hätte den österreichischen Nobelpreisträger wohl kaum gefreut.

Faktum ist, dass Konrad Lorenz seit 1938 NSDAP-Mitglied war und zumindest bis 1940 versucht hat, sich aus mehr oder weniger verständlichen Gründen den Machthabern als wissenschaftlicher Rechtfertiger anzubiedern. Diese Geschichte liegt auf dem Tisch, ist in zwei Büchern gut aufgearbeitet und regt heute kaum noch jemand auf. Lorenz selber bedauerte nach dem Krieg mehrmals seinen ideologischen Fehltritt und mied fürderhin konsequent die Nähe zu politischen Parteien, auch übrigens zur damals um Zwentenburg und Hainburg aufkeimenden Grünbewegung.

Faktum ist aber auch, dass Lorenz in den 1930er Jahren in einem genialen Wurf zusammen mit Niko Tinbergen das im Grunde heute noch gültige System zur Erklärung tierischen, einschließlich menschlichen Verhaltens schuf. Das erlaubt im Gegensatz zu manch abstrusen psychologischen Konstrukten des frühen 20. Jahrhunderts eine realistische, weil evolutionär begründete Sicht auf den Menschen. Dafür wurde ihm einerseits völlig zu Recht 1973 der Nobelpreis für Medizin verliehen. Genau da liegt aber auch das Dilemma. Denn nicht ganz zu Unrecht wird ihm andererseits immer wieder vorgeworfen, dass Teile seines wissenschaftlichen Systems Parallelen zur Nazi-Ideologie aufweisen. Und das kann auch den heute arbeitenden Wissenschaftlern nicht egal sein.

In Randbereichen seines Werkes finden sich von Lorenz nachträglich rationalisierte, fixe Ideen, wie etwa jene der "Selbstdomestikation" des Zivilisationsmenschen, die tatsächlich mit der Ideologie der der Nazi-Eugenik überlappen. Lorenz ist sicherlich auch für die Zeit nach dem Krieg der Vorwurf zu machen, durch breite Analogieschlüsse und unzulässigen Vereinfachungen an seiner Popularisierung gefeilt zu haben - auf Kosten der wissenschaftlichen Redlichkeit. Seinem Genie in wissenschaftlichen Kernbereichen tut dies aber keinen Abbruch.

Wenn sich nun besagte Burschenschafter anschicken, Lorenz auf ihren Schild der Ehre zu heben und gegen die bösen Nazi-Vorwürfe zu verteidigen, dann handeln sie offenbar wider besseres Wissen. Ich möchte ihnen nicht zu viel Intellektualität unterstellen, oder auch nur die Bereitschaft, die wahren wissenschaftlichen Verdienste des Konrad Lorenz zu verstehen. Es wäre allerdings ein Missverständnis, anzunehmen, den Herrschaften ginge es um Lorenz oder um die anderen großen Österreicher auf ihrer Liste. Es ist genau umgekehrt: Bei diesem "namedropping" handelt es sich um den durchsichtigen Versuch, ihre eigene ewig-gestrige Ideologie noch salonfähiger zu machen, als sie es ohnehin schon zu sein scheint. Darum kann ich mich als aktiver Verhaltensbiologe - wohl auch in seinem Sinne von Lorenz - gegen diese Anbiederungsversuche nur ganz entschieden verwahren. Eine Rolle als Galionsfigur für Wiederholungstäter hat sich Konrad Lorenz wirklich nicht verdient. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 22.11.2004)