Wien - Die Buchpreisbindung - Sie erinnern sich? -, das ist jenes Gesetz, für das alle Politiker sich einsetzen, um es gleichzeitig im Schatten ihrer eigenen Worte selbst zu sabotieren. Auch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel äußerte sich schriftlich zum Thema: "Das System der Buchpreisbindung hat sich bewährt. Durch diese gesetzliche Regelung wurde der Differenziertheit und Vielfalt des österreichischen Verlagswesens und Buchmarktes auch nach der Aufhebung der grenzüberschreitenden Buchpreisbindung Rechnung getragen. (...) Die gesetzliche Regelung der Buchpreisbindung gilt nicht nur für den einzelnen Konsumenten, sondern selbstverständlich auch für den Bund und die BundesbeschaffungsgmbH. Die Befürchtung hinsichtlich eines möglichen Verstoßes gegen das Buchpreisbindungsgesetz im Falle einer zentralen Beschaffung für den Bund ist unbegründet (...) Die Einhaltung des Buchpreisbindungsgesetzes wird weiterhin während der gesamten Vertragslaufzeit von der BBG kontrolliert."

Klare Worte, zu Papier gebracht am 4. Dezember 2003. Ein Jahr später hat die BBG die Belieferung aller Bundesstellen mit Büchern an Morawa und Co. vergeben, zu einem Rabatt von 16 Prozent (auf bindungsfreie Fachzeitschriften und Bücher gemeinsam), der kaum mit dem gesetzlichen Preisschutz zu vereinbaren ist. Mehr noch: Als Antwort auf eine Wettbewerbsklage des Hauptverbandes des Buchhandels gegen Morawa stellt die BBG Verfassungsmäßigkeit und EU-Konformität des störenden Buchpreisbindungsgesetzes infrage. Ein Vorgehen, das nun Wolfgang Zinggl, Kultursprecher der Grünen im Nationalrat, zu einer parlamentarischen Anfrage an Wolfgang Schüssel bewog. Vier Fragen stellt Zinggl dem Bundeskanzler, in welchen er ihn auf die Unvereinbarkeiten seiner eigenen Position mit dem Agieren der BBG hinweist.

Und noch etwas bewegt Zinggl: Schließlich steht Michael Ramprecht, Chef der BBG, derzeit unter dringendem Verdacht, sich nebenbei unbefugt als Immobilienmakler betätigt zu haben ("Initiativen für Stopp des zentralen Buchkaufs" - siehe STANDARD vom 19. 11.) Ein Vorgehen, das ihn in Zinggls Augen nicht zum gewissenhaften Hüter von Gesetzen prädestiniert, die eines der wesentlichen Kulturgüter Österreichs, das Buch, vor privatwirtschaftlicher Habgier schützen sollen: "Sind Sie sich der Gefahr bewusst, die von einem Geschäftsführer der BBG, Michael Ramprecht, ausgeht, gegen den von der Gewerbebehörde wegen des Verdachts der unbefugten Ausübung des Immobilienmaklergewerbes ermittelt wird? Können Sie mit diesem Geschäftsführer Herrn Ramprecht, der offenbar nicht nur das Gesetz zur Buchpreisbindung infrage stellt, die Kontrolle der Buchpreisbindung wirklich garantieren?"

Noch schweigt der Kanzler. (DER STANDARD, Printausgabe vom 22.11.2004)